Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ihn, ihn anzusehen, flüsterte, nein, stieß zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor: »Jetzt ist Schluß, Junge! Endgültig! Jetzt wachst du wieder auf, hörst du? Du bist nämlich völlig intakt. Dein Immunsystem arbeitet einwandfrei. Und du wirst verdammt noch mal dafür sorgen, daß es das auch weiter tut. Und dazu gehört, daß du endlich den Kopf wieder hochnimmst. Daß du irgendwas tust – hörst du, irgendwas! Daß du zuschlägst, zum Beispiel … Schlagen, nicht einstecken, darum geht's. Diese Scheißdinger werden dich nicht …«
    »Schluß, Paul.« Rio streifte Novotnys Hände ab. »Laß mich los.«
    »Den Teufel werd' ich! Irgendwann eines Tages gibt's ein Heilmittel. Aber bis dahin laß ich dich nicht in deinem Selbstmitleid versacken. Du wirst jetzt, verdammt noch mal, aus deinem Loch heraussteigen.«
    »Sonst noch was?«
    Rio griff nach seinem Taschentuch und tupfte sich den feinen Speichelregen ab, den ihm der Kommissar in seiner Erregung ins Gesicht geschleudert hatte. Novotny schwieg und atmete heftig.
    »Ja«, sagte Novotny dann leise, »da wäre noch etwas …«
    Die Demonstranten waren inzwischen auf die Fahrbahn gerückt. Zwei grüne Streifenwagen fuhren heran. Beamte stiegen aus und gestikulierten mit ihnen. Aus der Ferne erklang der Ruf eines Martinshorns. Das war laut genug, daß man es im Audi-Inneren hören konnte.
    »Ich kenne einen Mann, dem es ähnlich geht wie dir«, sagte Novotny.
    »Da gibt es viele …«
    »Gut. Aber der auf dieselbe Weise infiziert wurde.«
    »Von Bio-Plasma?«
    »Er glaubt es jedenfalls. Aber er hat es nie mit Sicherheit beweisen können. Und das bringt ihn um.«
    »Was bringt ihn um? HIV?«
    »Daß er nicht weiß, auf welche Weise die Ansteckung erfolgte. Es bringt ihn schon deshalb um, weil es sein Geschäft ist, so etwas herauszubringen. Ludwig Kiefer war einer der erfolgreichsten Fahnder der Bundesrepublik. Er war mein Lehrer. Er hat Tausende von Leuten ausgebildet, und am Schluß saß er auch noch im BKA in Wiesbaden. Ein Topmann. Wenn es einen wirklichen Kriminalisten in Deutschland gibt, dann ist er es.«
    »Und warum erzählst du mir das alles?«
    »Weil er dich sprechen will«, sagte Paul Novotny.
    Aus der Tiefe des Parks wehten Tierschreie, aber sie standen wie in einem Kreis aus Stille. Tannen warfen ihre Schatten über den flachen Teich, und die Flamingos bildeten eine weiß-rosafarbene Insel in dem bräunlich-trüben Wasser. Einzelne Vögel stelzten dieser Insel auf hohen, roten, knotigen Beinen entgegen, andere standen nur da, die Köpfe in den Federn vergraben.
    »Hier?« fragte Rio.
    »Ja, hier«, antwortete Paul Novotny.
    Rio setzte sich auf eine Bank. Er fischte in seinen Taschen nach Zigaretten, zündete sich eine an und sog begierig den Rauch in die Lungen. Dieses Bild, die Flamingos und die Sonne über dem Teich – er hatte es schon einmal gesehen. Mit Vera, vor vielen Jahren, damals, als es noch gar nicht so sicher war, ob das etwas werden würde mit ihnen … Doch an Vera dachte er besser nicht. Nicht jetzt.
    »Zu einem konspirativen Treff gehören doch zwei, Paul. Wo ist der andere?«
    »Irgendwo in der Nähe, vermute ich. Der kommt schon.«
    Was war dies nun wieder für ein Spielchen? Pauls alter Chef … Ludwig Kiefer, das kriminalistische Superhirn. Was wollte er von ihm? Was ging der Mann ihn überhaupt an?
    »Guten Morgen! Da seid ihr ja … Grüß dich, Paul.«
    Eine tiefe, etwas kratzende Altmännerstimme. Rio richtete sich hoch und schlug die Augen auf. Der Mann, der vor ihm stand, mochte, sechzig, siebzig oder achtzig Jahre alt sein, irgendwie blieb das unwichtig. Trotz der Wärme trug er einen olivfarbenen langen Trenchcoat. Knöpfe und Gürtel waren geschlossen, so als friere er. Den langen Schädel bedeckte eine Baskenmütze, die tief in die Stirn geschoben war. Er sah ihn an. Er lächelte sogar, doch Rio erschrak. Nie hatte er ein kränkeres Gesicht gesehen. Das einzige, was daran gesund wirkte, war das schimmernde, makellose Weiß der Zahnprothese. Ein Totenkopf mit hochstehenden Wangenknochen. Die Tönung der Haut war fahlgelb bis grau, an den Schläfen war sie aufgrund eines Ekzems geschrumpft wie die eines Reptils, das Gewebe um die Augen von Flüssigkeit aufgequollen, so daß die Haut sich dort weiß und glänzend spannte. Die Augen selbst – unter den grauen, stacheligen Brauen wirkten sie tiefschwarz. Augen, die glänzten wie im Fieber …
    Rio schluckte.
    »Sie also sind Herr Martin? Freut mich … Freut mich sogar

Weitere Kostenlose Bücher