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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zunächst: Wie lange hast du's schon?«
    »Vier Jahre. Ich kann den Tag auf die Stunde genau bestimmen.«
    »Ich auch.«
    »Eine Operation?«
    »Ja. Ein Bypass. Eine äußerst notwendige Bypass-Operation … Ich war kurz vorm Abkratzen … So gesehen kann ich mich noch nicht einmal beklagen. Das ist das Verrückte: Hätte mich mein Freund Ernst Sänger nicht auf den Tisch gelegt, wäre ich vielleicht längst tot. Das Plasma, das dabei verwendet wurde, dieses Sauzeug … in gewissem Sinne hat es mir tatsächlich auch noch das Leben gerettet. Allerdings, auf das, was drin war, darauf war ich nicht vorbereitet.«
    »Und wo hat die Operation stattgefunden?«
    »In Wiesbaden. Ich war ja lange Zeit dort beim BKA. Sie haben eine Spezialklinik, mit der sie zusammenarbeiten. Professor Sänger war so etwas wie unser medizinischer Obergott, dem wir blind vertrauten. Konnten wir ja eigentlich auch. Nur daß Sänger damals – wie andere Chirurgen auch – einer Art Mythos aufgesessen ist – einem, wie ich inzwischen herausgefunden habe, äußerst geschickt aufgebauten und manipulierten Mythos, einem wissenschaftlichen PR-Trick gewissermaßen: die Heilkraft von Plasma. Der kurative Nebeneffekt … Gib Frischplasma, und alles wächst rasch zusammen, alles regeneriert sich schneller.«
    »Bei mir war das auch so.«
    »Na, siehst du!«
    »Was taten Sie dann?«
    »Wir sind beim Du, Rio.«
    »Sie dürfen das nicht übelnehmen, vielleicht liegt es an meiner Erziehung, aber ich habe einfach zuviel Respekt vor Ihnen, Herr Kiefer … Sagen Sie ruhig du, aber ich möchte Sie weiter siezen.«
    »Na schön. Dann wird mein Du halt väterlich … Das ist jetzt auch nicht mehr wichtig. Eine Frage, Rio: Die Krankheit ist bei dir noch nicht ausgebrochen? Keine Infektionen? Keine Lungen-, keine Darmprobleme? Du siehst hervorragend aus. Ich sag' das nicht aus Neid, ich sage es voll Freude, glaub mir … Aber was sagt dein Arzt?«
    »Daß mein Immunsystem noch ziemlich intakt ist.«
    »Wieviel hast du?«
    »T-4-Helferzellen?«
    »Ja.«
    »Neunhundertzwanzig«, antwortete Rio und konnte einen gewissen Stolz nicht unterdrücken. Er hörte ihn aus seiner Stimme heraus und schämte sich dafür wie ein Musiker über einen mißglückten Saitenton. Wahrscheinlich würde es überall so sein, wo ähnliche Gespräche geführt wurden: Dieselbe Straße, der gleiche Weg; den einen erwischt's früher, den anderen …
    »Unglaublich! Ehrlich, du, ich freu' mich nicht nur darüber. Es ist wichtig, wichtig …«
    Ludwig Kiefer erklärte nicht, was er damit meinte. Statt dessen nahm er seine Baskenmütze ab. Der Kopf war von gelblichem, dünnem Schorf bedeckt. Das schlimmste aber waren die schwarzen, unregelmäßig geformten Hauterhebungen, die wie fremdartige, verwitterte, flache Steine seine Schläfen verunstalteten.
    Sein rechter Zeigefinger deutete darauf: »Hast du schon einmal ein Kaposi-Sarkom gesehen?«
    Rio antwortete nicht. Er starrte nur auf die schwarzen Flecken.
    »So sieht das aus. Ich wollte es dir zeigen. Und von dem anderen will ich gar nicht reden. Nicht davon, wie das war, als ich mir wochenlang die Seele aus dem Leib geschissen habe, ganze Nächte auf der Toilette verbracht, nicht von der Magenschleimhautwucherung, auch nicht davon, daß meine rechte Lunge praktisch aufgehört hat zu funktionieren …«
    Rio regte sich nicht, aber er zwang sich dazu, den Blick nicht abzuwenden. Er mußte etwas sagen. Aber – was sagt man in solchen Sekunden?
    Kiefer war es, der es aussprach: »Ich wollte dir zeigen, mein Junge, wie es aussieht, wenn du einmal die Phase erreicht hast, in der ich jetzt bin. Ich muß es dir zeigen, damit du verstehst, was ich dir sagen will. Es ist die Einleitung.«
    »Einleitung?« hörte Rio sich sagen. »Einleitung zu was?«
    »Davon reden wir später …«
    »Nach dem Essen?« Vielleicht war die Frage nichts als ohnmächtiger Protest. Rio wußte nur eines: Die Situation begann zuviel für ihn zu werden.
    Der blasse Totenschädel vor ihm verzog sich zu einem vagen Lächeln: »Nein. Tu mir den Gefallen und räum mal die Blumentöpfe weg. So, und nun gib den Korb her …«
    Rio hob ihn auf den Tisch. Er war schwer und vollgepackt mit Akten, Papieren, Dokumenten.
    »Das ist das, was ich über ihn herausbringen konnte«, begann der Kriminalrat Ludwig Kiefer.
    »Über wen?«
    »Über deinen Mörder, Rio. Und über meinen, wenn man's mal pathetisch ausdrücken will … Pathetisch und ungenau. Denn schließlich waren noch eine ganze

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