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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Und da, wie ein Pfeil aus dem Dunkel herangeflogen, kam Reissners Frage: »Und? War es schön?«
    Es war kein Spott darin. Es klang wie eine Drohung.
    »Bist du dir eigentlich im klaren, Rio, was du da getan hast?«
    Für eine Sekunde, für eine Gnadensekunde noch blieb ihm die Bedeutung des Satzes unklar. Dann begriff er. Dann sprang ihn die Panik mit der gewalttätigen Brutalität eines Wegelagerers an, riß jeden Schutz nieder, lähmte jeden Widerstand …
    Er zog den Arm unter Veras Kopf hervor, richtete sich auf, und es wurde ihm prompt übel.
    »Bist du dir darüber klar, was du getan hast …«
    Die Kerzen flackerten. Ihr Schein spielte mit Veras Haut, ließ sie warm und lebendig von innen glühen – und er stand neben dem Bett, beide Fäuste gegen die hämmernden Schläfen gepreßt und sah … sah den Hals des Alten, sah den Schorf daran, die Reptilienmuster.
    »Bist du dir darüber klar …?« War ich es – war sie's? Hatte sie es nicht abgelehnt, die Schublade des Nachttisches aufzuziehen und nach diesen wurstpelleartigen Dingern zu greifen, die sie immer ›deine albernen Hütchen‹ nannte? HIV-positiv? Na und?
    »Eine Übertragung ist beim heterosexuellen Verkehr äußerst selten, Herr Martin. Nur unter extrem ungünstigen Umständen passiert da nämlich was … Feine Haarrisse, zum Beispiel, könnten …«
    Feine Haarrisse? … Jawohl, Herr Doktor!
    »Bei uns gab es vielleicht auch feine Haarrisse«, hörte er Reissner, den Mörder, und nun war ein Lächeln in seiner Stimme. »Wer kann es wissen? Jedenfalls, werd fertig mit dem Gedanken: Du hast sie angesteckt! Leb einfach weiter. Vergiß es – wenn du das kannst …«
    Rio warf sich den Bademantel über, ging hinüber in sein Studio und nahm die Whiskyflasche aus dem Fach. Reg dich nicht auf, verdammt noch mal! Was ist schließlich schon passiert? Also reiß dich zusammen …
    Aber es wurde nicht besser, soviel er auch trank. Der Gedanke wand sich durch den Aufruhr in ihm wie eine winzige, dunkle Schlange, die immer wieder den Kopf hochschob und ihn anstarrte. Alle seine Argumente zerfielen zu Trümmern vor dem einzigen Gedanken: Du hast sie angesteckt!
    Und die Schlange wurde noch dunkler, wurde noch giftiger: Wenn das so ist – was dann? Dann gibt es doch nur noch eines: Reissners Weg zu gehen … Mein Gott …
    Und da war es da, zum ersten Mal, ein Wort, von solcher Heftigkeit, daß es alles andere auslöschte: S ELBSTMORD .
    »Siehst du«, sagte Reissner, »ich hab's dir vorgemacht. Und da sind wir jetzt also endlich zusammen. Das war kein sehr guter Abgang, hast du getönt. Aber was hätte ich denn tun sollen? Schließlich – es hätte nicht nur meine Frau, es hätte ja auch mein Kind erwischen können.«
    »Ich habe kein Kind.«
    »Das sagst du. Weißt du's? – Soll ich dir erzählen, daß wir nie ein Kind haben wollten und daß ausgerechnet an dem Tag …«
    »Sei endlich still, Herrgott noch mal!« brüllte Rio.
    »Gut. – Aber begreifst du jetzt? Vielleicht, daß ich durchgedreht bin. Aber du? – Wie ist das denn mit dir?«
    Rio fuhr nicht länger als eine halbe Stunde und war in einer anderen Welt: Streß, Hektik, Gerenne – vorbei, erloschen wie der Talmi-Charme von München, der ›Hauptstadt mit Herz‹ …
    Das Land war flach und von kleinen Hügel durchzogen. Tannen gab es, Rapsfelder, schwarz-weiß gefleckte Kühe, eine lange Straße mit dem für die Stadtnähe typischen Gemisch von Bungalows und Bauernhöfen. Ja, und es gab auch die Anhöhe mit der Jugendstilvilla, von der Paul Novotny gesprochen hatte. Aus den Löchern der Asphaltdecke der kleinen Straße, die zum Haus führte, wuchs Gras, an den Mauern rankte sich Efeu. Als er ausstieg, umfing ihn eine kühle Stille.
    Er sah sich suchend um. Doch da öffnete sich schon die Tür, und eine Frau in einem dunkelblauen Schürzenkleid erschien. Das eisengraue Haar lag glatt an ihrem Kopf. Sie trug eine Hornbrille, die sie jetzt abnahm.
    »Sie sind Herr Martin, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wie schön. Ich kann Ihnen die Hand nicht geben, da ist Kuchenteig dran. Mögen Sie Kuchen?«
    »O ja! Und Sie sind Herrn Kiefers Schwester, nicht wahr? Paul Novotny hat mir viel von Ihren Kochkünsten erzählt.«
    »Ach, der Paul … Wenn er sich nur öfters hier sehen ließe! Mein Bruder sitzt auf der Terrasse, gleich auf der anderen Seite des Hauses. Er wartet schon auf Sie. Also dann, bis nachher.«
    Stille herrschte auf der anderen Seite des Hauses. Die große, steingemauerte und von einer

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