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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Schüssel mit Wasser, und die beiden befahlen Estelle, ihm die Füße mit ihrem Haar zu trocknen.
    Estelle sagte nein.
    An den Rest erinnerte sie sich nicht, obwohl sie manchmal davon träumte, schreckliche Träume. Sie hatte nie jemandem davon erzählt. Typhaine hatte nie gefragt, was geschehen war. Estelle spürte, dass sie es ohnehin wusste. Grymonde konnte sie es niemals erzählen. Sie hatten sie noch ein zweites Mal zu Christian mitgenommen, aber sie war ihm davongelaufen und hatte drei Tage lang bei den Ratten gewohnt.
    Sie hörte Joco sagen: »Sie haben alle noch gelebt, als ich fort bin, außer dem Türken. Was kann ich Euch also sonst noch sagen? Fragt Estelle, die war noch da.«
    Estelle konnte sich vor Angst nicht rühren. Christian kam zur Tür. Er war ganz in Grün gekleidet, wie eine Kröte. Der Anblick seines Gesichtes ekelte sie noch mehr an als seine Stimme.
    »Und wie geht es unserer kleinen Magdalena? So hübsch wie immer. Obwohl dir ein Bad nicht schaden könnte.«
    Estelle wich durch die Küche zurück. Sie langte im Gürtel nach ihrem Messer, aber das hatte sie Grymonde gegeben, damit sie sich beim Abstieg durch den Kamin nicht verletzte. Sie nahm ein Tranchiermesser von der Anrichte. Der Griff war so breit, dass sie ihn mit beiden Händen umfassen musste.
    »Leg das weg«, sagte Typhaine. »Er will nur etwas über heute Morgen wissen. Sag’s ihm, und er kauft uns beiden ein neues Kleid.«
    »Ich will kein neues Kleid.«
    »Sie hat eine sentimentale Schwäche für Grymonde«, erklärte Typhaine.
    »Ich habe nur eine Frage, mein kleiner Igel.«
    Christian versuchte sich einzuschmeicheln.
    »Ich bin kein Igel, und ich bin keine Schnüfflerin.«
    »Das freut mich. Niemand mag Schnüffler. Denn Schnüffler schädigen ihre Freunde, und hier geht es darum, deinen Freunden zu helfen. Joco sagt, da war eine feine Dame im Hôtel, Carla hieß sie. Erinnerst du dich?«
    »Grymonde hat Joco gezwungen, einen toten Hund zu essen.«
    »Das hat ihm sicher gefallen. Doch sag mir, was ist mit Carla geschehen, nachdem Joco gegangen war?«
    »Sie haben mich auch weggeschickt, und das war nicht gerecht. Ich war mutig. Sogar Carla hat gesagt, dass ich mutig war.«
    »Carla hat recht, du warst sehr, sehr mutig. Wo war sie?«
    »Sie saß auf der Straße auf einem Stuhl. Dann bin ich weggerannt vor den Jungs.«
    Christian verzog ärgerlich das Gesicht.
    »Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte Estelle.
    Christian musterte sie. Estelle umklammerte das Messer.
    »Carla ist eine ganz besondere, reizende Dame«, antwortete Christian. »Die Menschen, die sie lieben, möchten wissen, was mit ihr geschehen ist. Sie machen sich große Sorgen.«
    »Welche Menschen?«
    »Nun, zum einen ihr Ehemann. Der ist ein großer Ritter. Er würde viel Gold geben, um sie zu finden. Er würde noch mehr bezahlen, um sie zurückzubekommen. So was nennt man Lösegeld.«
    Estelle kämpfte mit sich. Es gefiel ihr nicht, dass Carla in Grymondes Haus war. Wäre Carla nicht lieber in ihrem eigenen Haus bei dem Ritter, der sie liebte? Petit Christian arbeitete für die Messieurs . Und Grymonde liebte Gold. Das passte alles zusammen, aber sie hatte trotzdem ein seltsames Gefühl im Magen.
    »Würde der Ritter das Gold Grymonde geben?«
    »Natürlich, sehr viel Gold, wenn Grymonde wüsste, wo sie ist. Der Ritter wäre glücklich, Carla wäre glücklich, und Grymonde wäre am allerglücklichsten.«
    »Estelle«, sagte Typhaine, »wo ist sie?«
    »Carla ist bei Grymonde in Cockaigne, in seinem Haus. Sie trägt ein Kind im Bauch.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Petit Christian.
    »Ich bin ihnen gefolgt. Ich habe sie ins Haus gehen sehen.«
    »Und Grymonde hat ihr nicht weh getan?«
    »Nein. Er war freundlich zu ihr. Er hat allen gesagt, sie sei ihre neue Schwester.«
    »Was habe ich dir gesagt?« Jocos bebende Stimme kam aus dem Schlafzimmer. Er wimmerte vor Schmerzen. »Deswegen hat er mich so zugerichtet. Der Infant ist ein Heißsporn. Sie hat ihn bezaubert.«
    »Dass ich nicht lache!«, warf Typhaine ein. »Der war nur auf eine heiß, und das war ich.«
    »Halt dein dreckiges Maul«, sagte Christian.
    Er wandte sich wieder an Estelle und lächelte. Ihr lief es kalt über den Rücken.
    »Glaubst du, Grymonde mag Carla? Mag er sie?«
    Estelle hasste solche Fragen. Sie war sicher, dass Grymonde Carla mochte.
    »Nun, wer hätte das gedacht?«, sagte Typhaine und starrte sie an.
    »Ich sagte: Halt das Maul!«, blaffte Christian. »Estelle? Mag Grymonde

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