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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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machte einer inneren Fassungslosigkeit Platz. Er hatte seinen Vater vor aller Augen besiegt und gedemütigt. Gleichgültig, wie ihr Zusammentreffen auf andere wirkte, würde der Alte ihm diese Niederlage niemals verzeihen. Wilkin war ein wenig übel von der Mischung aus Triumph, Grauen und Reue, die er nun fühlte. Er hatte sich endgültig aufgelehnt, und die Kluft zwischen ihnen würde nie wieder zu überbrücken sein. » Es tut mir leid. Ich wünschte, es stünde anders zwischen uns«, sagte er.
    » Winsel den Mond an«, gab sein Vater gepresst zurück.
    Obwohl es sinnlos erschien, trieb Wilkin etwas dazu weiterzusprechen. » Ich werde heiraten. Und meine Söhne werden den Namen von Torgau tragen. Ich habe das so wenig gewählt wie du, doch so ist es. Du kannst wünschen, dass ich nicht von deinem Blut wäre, und du kannst mich schmähen. Aber mein Recht lasse ich mir von dir nicht nehmen.«
    Wilkin gewann im Tjost an diesem Tag nicht noch einmal, doch er verlor nach Punkten, ohne zu stürzen. Und als er spät am Abend im ersten großen Kolbenkampfgetümmel ein silbernes Blatt gewann, gleich denen am Huldigungszweig, es zu Hedwig trug und ihr schenkte, ergriff der Kurfürst selbst das Wort und verkündete ihre Verlobung.
    Eine Weile standen sie Hand in Hand und empfingen Applaus, von dem sie beide glaubten, dass er mehr dem Respekt vor dem Kurfürsten als der Freude über ihre Verbindung entsprang. Zwischen zwei Fingern der freien Hand hielt Hedwig das silberne Blatt an seinem Stiel. Vor Verlegenheit war sie reizend errötet, und sie hob den Blick stets nur kurz.
    Mittlerweile war Wilkin so überwältigt von ihr, dass ihm jede ihrer Gesten wunderbar erschien und seine Sehnsucht, von ihr berührt zu werden, steigerte. Darüber hinauszugehen gestattete er sich auch in Gedanken nicht, denn der Gedanke, sie im Fleische zu erkennen, kam ihm vor wie eine Entweihung.

    Es war bereits dunkel, als Hedwig mit Irina und Hüx vom Turnierplatz zum Zelt zurückkehrte. Im ersten Augenblick glaubte sie, ihr Onkel säße auf dem Hocker vor dem Zelt und würde sie erwarten, dann hörte sie dessen Schnarchen von drinnen und erkannte in der schwarzen Silhouette Cord. Sie hatte in der Aufregung des Tages keine Gelegenheit gefunden, ihn aufzusuchen, um ihn zu beglückwünschen. Nun freute sie sich, dass er sich die Mühe gemacht hatte, zu ihr zu kommen, obgleich sein Tag noch weit anstrengender gewesen sein musste als ihrer. Mit ein paar Worten schickte sie ihre müden Gefährten zu Bett, bevor sie ihn umarmte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Zu ihrem Erstaunen drückte er sie dieses Mal so fest an sich, dass sie nicht mehr atmen konnte. Ebenso plötzlich ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. » Du heiratest Wilkin«, sagte er, und seine Stimme klang merkwürdig flach.
    In Hedwig stieg ein ungutes Gefühl auf, eine Woge dumpfer, böser Vorahnungen überkam sie. Eben noch hatte sie dem Mann, den sie für ihren Freund hielt, ihren freudigen Glückwunsch aussprechen wollen, nun fühlte sie sich, als müsse sie sich vor ihm rechtfertigen. Schlimmer noch, als zweifle sie auf einmal selbst und müsse sich vor ihrem Gewissen rechtfertigen. Gleichzeitig ergriff sie ein Trotz, der sie von beidem abhielt. » Ja«, sagte sie, als würde es keine Zweifel geben.
    Er sah sie auf eine so durchdringende Art an, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Sie schluckte und hoffte, dass ihre Verwirrung ihm in der Dunkelheit verborgen blieb.
    » Und du glaubst, du wirst mit ihm ein gutes und glückliches Leben führen?«, fragte er, beinah unhörbar.
    » Warum nicht?«, flüsterte sie.
    Er stieß die Luft aus, als gäbe er eine schwierige Anstrengung auf. » Ja. Warum nicht? Schlaf gut, meine kleine… Schlaf gut.«
    Damit wandte er sich zum Gehen. Schmerz durchzuckte sie. » Warte. Ich wollte dir… Habe ich dir etwas getan?«
    In einem Schwung drehte er sich wieder zu ihr um, zog sie an sich und küsste sie, genau so lange, wie ihre Überraschung währte. » Ja. Das hast du. Aber du hast keine Schuld daran. Hör zu, Drachenmaid: Ich bin dein Freund. Hast du jemals Sorgen, dann komm zu mir.«
    Ein weiteres Mal drehte er sich nicht nach ihr um, sondern ging und ließ sie in dem aufgelösten Zustand stehen, in den er sie gebracht hatte. Ein Freund? Küsste so ein Freund? Ihre Knie waren weich, und ihr war heiß. Es war, als hätte er in ihrer Seele eine Glut zum Aufflammen gebracht. Was hatte er gewollt? Warum hatte er sie so verwirrt? Was

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