Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
schnaubte, als würde er Hedwig auslachen. » Erklärst du mir gerade, warum du keine Kinder hast? Was soll ich sagen? Ich habe doch selbst keine. Nicht einmal ein Eheweib oder so eine hübsche, kleine Ziehtochter. Und ich bin viel älter als du. Lehrst du sie, mit dem Bogen umzugehen?«
Juli atmete erleichtert auf. Er schien sie nicht garstig zu finden. » Mädchen sollen nicht mit dem Bogen schießen«, sagte sie und biss sich gleich darauf auf die Lippe, weil ihr einfiel, dass sie gar nicht gefragt worden war. Und Wilkin sagte immer, sie dürfe nicht zu fremden Erwachsenen sprechen, ohne von ihnen gefragt worden zu sein.
Aber Hedwigs Freund Cord nahm ihr auch das nicht übel. » Warum denn nicht?«, fragte er, als wäre er ein bisschen dumm.
» Es ist nicht schön, wenn Mädchen mit Waffen spielen«, erklärte sie ihm geduldig.
Hedwig hatte geglaubt, sich in ihrem neuen Leben gut eingerichtet zu haben. Auch um Julis willen hatte sie zurückgelassen, was in das Dasein einer untadelhaften Edelfrau nicht hineinpasste. Doch der Glaube an ihre Weisheit war wie weggefegt, als sie in die Augen ihres Freundes blickte, der auf Julis Worte hin spöttisch die Lippen verzog. Ihr Herz hämmerte noch von ihren Küssen– Küsse, so verboten, als hätte sie nie begonnen, ihr neues, untadelhaftes Leben zu führen. Sie wusste nicht, wie es hatte geschehen können, dass sie ihn nach all den Jahren begrüßte, als sei er ihr Gatte und Geliebter. Es war, als hätte er mit ihrer Haustür auch die Tür zu der Kammer aufgestoßen, in der sie einen großen Teil ihrer Seele verborgen hielt.
» Bist du am Ende doch zahm geworden, Drachenmaid?«, fragte er.
Flüchtig wollte sie ihm schnippisch antworten, doch die Freude, ihn zu sehen, war zu überwältigend, die Zeit zu kostbar für auch nur die kleinste Unfreundlichkeit. » Ich habe mir große Mühe gegeben. Juli soll es leichter haben, ihren Platz zu finden, als ich es hatte.«
Und noch habe, dachte sie. Ein warnender Instinkt hielt sie davon ab, es auszusprechen. Cord hatte ihr in kürzester Zeit mitgeteilt, dass er noch immer ledig war und dass er sie noch immer begehrte. Es war besser, wenn er nicht erfuhr, dass sie nicht zufrieden war. Sie erwartete, dass er sie weiter aufzog, doch er nickte nur und betrachtete Juli, obwohl er im Halbdunkel des Flurs sicher nicht viel erkennen konnte.
Ihr Puls raste vor Sorge darüber, was er vielleicht entdecken würde, wenn er das Kind genauer ansah. Hedwig war vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen, dass er Julis Vater sein musste. Nicht, weil sie so große äußere Ähnlichkeit zwischen den beiden festgestellt hatte, sondern weil Juli ein wunderbares Kind war und sie zu ihrer Erleichterung nie die kleinste Spur eines Ludwig von Torgau in ihr gefunden hatte. Cord von seiner wahrscheinlichen Vaterschaft in Kenntnis zu setzen hatte sie allerdings verworfen.
» Komm mit in die Küche. Du bist nass«, sagte sie.
Mara hatte sich inzwischen von ihrem Schreck erholt, kam ihnen aus der Küche entgegen und zündete die Öllampen in der Stube und auf dem Flur an. Juli lief zu ihr und erzählte ihr auf Ungarisch, dass der Gast freundlich zu ihr gewesen war.
Hedwig führte Cord in die Küche. Er ging so dicht hinter ihr, dass sie ihn auf der Haut spüren konnte. » Warum hinkt sie?«, fragte er leise, und seine Stimme war ein wenig rau.
» Ihr Bein war gebrochen, als sie noch nicht lange auf der Welt war. Es ist nicht richtig verheilt, aber das Hinken behindert sie kaum. Sie kann alles tun.«
Er brachte einen Laut hervor, der zweifelnd und spöttisch klang. » Sie könnte, meinst du. Wenn sie nicht so eine vorbildliche Ziehmutter hätte, die darauf achtet, dass sie sich geziemend benimmt.«
Vor dem schwach glimmenden Herdfeuer angekommen, wandte Hedwig sich ihm zu. » Es gab eine Zeit, da hast auch du dich daran gestört, dass ich Dinge tat, die sich für ein Weib nicht ziemen.«
Sie streckte ihm die Hände entgegen, um ihm abzunehmen, was auch immer er ablegen wollte. Doch er öffnete seinen Umhang und ließ ihn fallen, wo er stand, sein leichter Harnisch folgte rasch. Flink und tausendfach geübt waren seine Handgriffe, er war immer ohne Knappen ausgekommen.
Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie sah, wie seine Sachen sich zu seinen Füßen häuften. In dieser Hinsicht hatte er sich nicht geändert. So wenig wie in seiner Unlust, seinen Bartwuchs im Zaum zu halten.
Sie ließ ihre Hände sinken, doch da trat er schon zu ihr, als hätte
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