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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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zurückgekehrt. Und Wilkin ist nicht in der Stadt. Willst du mir erzählen, dass all das hier…«– er machte eine Handbewegung, mit der er Cord, Hedwig, Juli und die Pferde einschloss, » …dass all das ehrenhaft ist? Gott weiß, dass es gute Gründe gibt, warum Weiber mich anwidern. An nichts können sie festhalten. Nicht an ihrem Besitz, nicht an ihrer Ehre. Wenn sie es versuchen, wird es nichts weiter als ein lächerliches und ekelhaftes Schauspiel. Schwach und tierhaft.«
    Der gehetzte und verletzte Tonfall seiner Stimme war es, der Hedwig auf einmal den kleinen Bruder in ihm sehen ließ, den sie einmal gehabt hatte.
    » Wie alt warst du, als Mutter dich weggeben musste?«, fragte sie leise. » Kannst du dich an sie erinnern?«
    Erneut spiegelten seine Miene und seine Haltung schiere Verachtung. » Warum sollte ich das? Sie war ein Weib wie jedes andere. Weder kann noch will ich mich an sie erinnern.«
    Hedwig nickte und fühlte ihren eigenen alten Schmerz über den Verlust der Mutter aufflackern. » Aber ich kann mich an dich erinnern. Du warst noch sehr klein, als der Kurfürst Friesack einnahm. So klein wie meine Ziehtochter hier.« Sie legte Juli, die sich noch immer verschreckt an sie drückte, die Hand auf die Schulter.
    Dieter sah das Kind an, und ein kleiner Ruck schien durch ihn zu gehen. » Ziehtochter?« Sein Blick flog von Juli zu Hedwigs Gesicht, dann zu Cord und wieder zu dem Kind.
    Es durchfuhr Hedwig siedend heiß. Sie glaubte zu wissen, was in seinem Kopf vorging. Er musste eine Ähnlichkeit zwischen Cord und Juli entdeckt haben. Rasch redete sie weiter, damit er nicht aussprach, was Cord nicht hören sollte.
    » Cord hat mir noch gestern erzählt, dass er dich in der Schlacht für unentbehrlich hält und Achtung vor dir hat. Ich möchte glauben, dass du nicht so meintest, was du vorhin zu mir sagtest.«
    Seine Züge wurden wieder hart. » Ich meinte, was ich sagte. Aber vielleicht habe ich mich geirrt. Dann würde ich um Verzeihung bitten.«
    » Für den Augenblick würde ich mich damit zufriedengeben. Kannst du ihn dann gehen lassen, Cord?«
    Als sie ihren Freund ansah, bemerkte sie, wie zerschunden auch er aussah. Widerwillig schob er den Dolch in sein Futteral. » Nur, weil du mich darum bittest.«
    Dieter nickte, die Lippen verkniffen, und ging mit gesenktem Kopf davon.
    Hedwig hätte gern auch den Rest des Tages und den Abend mit Cord verbracht, doch sie wusste, dass Dieters Verhalten Grund genug war, kein Wagnis einzugehen. Es war vernünftiger, wenn Cord nicht noch einmal mit in ihr Haus kam. Bis zur Tür begleitete er sie allerdings, schon um es ihr abzunehmen, die erschöpfte Juli tragen zu müssen.
    Wegen des Kindes sprachen sie auf dem Weg nicht über das, was geschehen war, und beim Abschied sahen sie sich nur schweigend in die Augen.
    Später auf ihrem Lager war Hedwig rastlos, und das lag nicht an dem Schmerz, den die Schwellung unter dem Auge ihr verursachte. Sie konnte es nicht ändern, dass sie sich nach Cord sehnte und sich seine Berührungen erträumte. Das Ziehen in ihrem Herzen und ihrem Leib war heftig. Es kam ihr vor, als müsse er es auf seinem Schlaflager im Gasthaus spüren. Sie schalt sich verachtenswert und eine Närrin, doch ihr Herz gab nichts auf ihren Verstand.
    Dachte sie an Wilkin, wurde ihr vor Schuldgefühl übel. Dennoch stellte sie sich die Frage, ob es möglich wäre, mit Cord fortzugehen, falls solch eine unerhörte Tat für ihn in Betracht kam. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass er oder sie das ehrlose Leben in ewiger Heimlichkeit und Angst lange ertragen hätten, das einem derartigen Ehebruch folgen musste.
    Als in der Nacht jemand ungestüm an die Haustür hämmerte, fuhr sie mit rasendem Puls aus dem Bett auf. Die unsinnige Angst, den Richter für ihre verworfenen Gedanken vor der Tür zu finden, mischte sich mit der Hoffnung, es möge Cord sein, der doch noch Herberge bei ihr suchte.
    Eilig lief sie die Treppe hinab. Die gewohnte Vorsicht ließ sie das kleine Beil aus der Stube holen, bevor sie zur Tür trat. » Wer ist da?«
    » Von Quitzow. Dieter von Quitzow«, kam die Antwort, so laut, dass es alle Nachbarn aus dem Schlaf reißen musste.
    Hedwig zögerte kurz, öffnete dann die Tür einen Spalt weit, bereit, sie wieder zuzuschlagen. Eine Wolke von Bier- und Branntweindunst schlug ihr entgegen. Obwohl Dieter sich mit einer Hand an der Hauswand abstützte, schwankte er so stark, dass es keinen Zweifel darüber gab, wie betrunken er war.

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