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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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war an allen drei Stellen dieselbe, nur die Umstände waren es nicht. Denn die drei Kontrollstellen füllten den Gang nicht aus, sie nahmen nur etwa zwei Drittel davon ein. Das übrige Drittel war für den Gegenverkehr. Für Leute, die von Gate C nach Gate B wollten. Damit diese Leute sich nicht mit den anderen Menschen vermengten oder der Arbeit der Kontrollstelle in die Quere kamen, hatten sich die Innenarchitekten eine sensationelle Lösung einfallen lassen: Sie hatten einen Zaun errichtet, der aus zwei Querstangen bestand und den sie vermutlich für unüberwindlich gehalten hatten– warum, war mir schleierhaft. Die obere Querstange befand sich etwa in Brusthöhe, die untere ungefähr in Kniehöhe– und dazwischen nichts als schlechte Luft.
    Das hatte zur Folge, dass sich hinter dem Monitorer der äußersten Kontrollstelle, der wegen des engen Schlauchs praktisch mit der rechten Schulter an diesem Zaun saß, zwei Sorten von Menschen sammelten. Die eine Sorte sah gerne fern und versuchte hilfreiche Tipps zu geben, was auf seinem Bildschirm alles eine Waffe sein konnte. Diese Sorte war sehr ausdauernd. Die zweite Sorte war der beliebten Gruppe der Excuse-Mes zuzurechnen, die in dem Menschen am Monitor kostbare Informationen vermutete. Zum Beispiel darüber, wo man sich gerade befand, wo man gerade hinwollte und ob es für beides noch Alternativen gab, wie zum Beispiel die Toiletten. Beliebt war auch, den Monitorer an den Schultern zu rütteln, als hätte er gerade einen Kreislaufkollaps erlitten. Und ihn, wenn er sich dann umdrehte, kommentarlos zu fragen:
    » Montreal?«
    oder
    » ICE Rosa Luxemburg delayed?«
    oder irgendetwas, das klingt wie:
    » Breschnew!«
    Dieser Zaun, der keiner war, funktionierte allerdings in einer Hinsicht blendend. Er reichte bis sehr, sehr weit hinter die Kontrollstelle. Er reichte so weit zurück, dass man die Kontrollstelle nicht mehr sah und überhaupt nicht erkannte, wozu er eigentlich da war. Weshalb dort, wo der Zaun begann, die herüberströmenden Passagiere von Gate C vor einer seltsamen Wahl standen: Sollten sie rechts entlang vorbeigehen oder links entlang? Vorgesehen war rechts vorbei, schon deshalb, damit der Nachschub für die Zuschauertribüne hinter dem Monitorer gesichert war. So deutlich war das jedoch dort, wo der Zaun begann, absolut nicht. Also kamen immer wieder Leute auf die Idee, dem Zaun links entlang zu folgen. Dann kamen sie unversehens hinter der Kontrollstelle heraus, die für sie überhaupt nicht vorgesehen war, direkt bei der völlig verschwitzten Nachschaukraft. Die Nachschaukraft merkte das daran, dass sie plötzlich von verwirrten vietnamesischen Familien am Ärmel gezupft wurde oder an der Schulter gerüttelt.
    Die Aufgabe der Nachschaukraft war es dann, den Vietnamesen verständlich zu machen, dass sie den gesamten Weg wieder zurückgehen mussten, weil sie auf die andere Seite des Zauns gehörten. Vietnamesische Familien wählten dann jedoch gerne die Variante, sich in Gegenrichtung durch die gesamte Kontrollstelle wühlen zu wollen, am besten mit vier Trolleys im Schlepptau. Ohne Schulterrütteln oder Ärmelzupfen, sondern durch einfaches Zurseiteschieben der Nachschaukraft. Und jetzt ist der Vietnamese an sich ja häufig handlich klein, aber große Mengen seiner Art sind trotzdem schwer wieder einzufangen.
    Bei genauerer Betrachtung ist es eigentlich doch immer wieder erstaunlich, wie wenige Menschen letzten Endes im B-C-Gang von Luftsicherheitsassistenten erschlagen wurden.
    An sich war also der B-C-Gang schon Zumutung genug. Häufig gab es allerdings noch einen kleinen Aperitif dazu. Das war jedes Mal dann der Fall, wenn man die Kontrollstelle neu öffnete– also etwa zweimal am Tag. Kaum eine Kontrollstelle ist 24 Stunden besetzt, auch diese nicht. Das wäre schon deshalb Unsinn gewesen, weil die letzte Maschine am späteren Nachmittag ging. Danach machten alle Feierabend, und die Kontrollstelle war unbesetzt. Am nächsten Morgen musste man sie dann wieder öffnen. Dazu gehörte, dass man das gesamte Gate räumte. Weil man vom Sicherheitsbereich und den Leuten darin nicht wusste, wer schon kontrolliert war und wer nicht. Die hätten ja nachts eingetroffen sein und sich da zum Warten hingesetzt haben können. Also ging man zu zehnt den gesamten Sicherheitsbereich ab. Man guckte in jede Toilette, unter den Deckel, hinter jeden Counter, man guckte in jeden Papierkorb. Und man bat jeden Menschen, den man fand, sich wieder nach vorne zu begeben,

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