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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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bitte, ich kann mich auch irren, und vielleicht hatte ich in meinen Berufsjahren bei den Begegnungen mit orthodoxen Juden auch einfach nur enormes Pech. Wie dem auch sei: Die Frage ist, wie man als Luftsicherheitsassistent damit umgeht.
    Denn natürlich berührt einen das. Es ist nicht direkt Ekel. Aber man denkt an die Bakterien, die man aufnimmt und die man dann– Hand folgt der Sonde– natürlich auch an die anderen Passagiere weiterverteilt. Selbstverständlich gibt es Desinfektionsmittel, mehr als genug, aber ich kann mir schließlich nicht acht Stunden am Tag nach jedem Passagier die Finger desinfizieren, das frisst einem ja die Haut von den Knochen. Also überlegt man, ob man wieder die Gummihandschuhe anzieht. Auch von denen gibt es genug. Leider fangen in diesen Dingern die Hände sofort zu schwitzen an, und nach zehn Minuten ist das da drin so feucht, so unangenehm, dass man ganz abgelenkt ist. Für das Kontrollergebnis ist Ablenkung aber gar nicht gut. Trotzdem nimmt man in mehr als einem Fall ohne zu zögern den Handschuh. Gerade wenn es an die Unterhosen geht, kann ich jedem nur dazu raten.
    Ich habe mir oben ja noch Gedanken gemacht, ob man sagen kann: Viele Türken und Inder mottenkugeln. Hier nun kann ich einen Satz äußern, der ist in jedem Fall völlig unbedenklich. Der Satz besagt: Die Unterhosen der Welt sind überall gleichermaßen dreckig. Halt, Einschränkung: die Männerunterhosen, ich habe ja nur Männer untersucht. Die Männerunterhosen dieser Welt sind überall gleich dreckig, da ist es egal, ob man Automechaniker aus Detroit ist oder, sagen wir, bei der Deutschen Bank im Vorstand sitzt. Und ich rede hier auch nicht von Bremsspuren, ich rede hier von massivsten Bremsspuren, da findet man nicht nur Bremse oder Spur, da ist auch noch der halbe Reifen mit dabei. Ungelogen. Das ist natürlich unangenehm, wenn man die Leute in die winzige Kabine mitnimmt, und da muss ich dann mein Synästhetikergehirn extrem schnell auf Dreifach-Vanille schalten.
    Manchmal ist den Leuten das wirklich unangenehm, da tun sie mir dann auch richtig leid. Die sagen dann ganz kleinlaut: » Ich möchte das lieber nicht, das kann jetzt unangenehm werden…« Das kann ich gut nachvollziehen. Jeder von uns hat mal einen schlechten Tag, ich versuche die Leute dann zu beruhigen und sage ihnen: » Machen Sie sich keine Sorgen, mir ist nichts Menschliches fremd.« Und so ist das dann auch gemeint: Ich glaube wirklich, ich habe schon so gut wie alles gesehen. Andererseits weiß man auch nie, was den Leuten gerade unangenehm ist. Jeder hat so seinen wunden Punkt.
    Bei mir saß mal einer in der Kabine, der sagte mit so einer Mischung aus Stolz und tiefster Verletzung: » Das ist eine Demütigung. Das muss ich mir nicht gefallen lassen!« Er war ein schicker Typ im Anzug, teueres Design, Seidensocken, und die Demütigung bestand nicht etwa darin, dass seine Unterhose nicht sauber gewesen wäre. Die war tadellos, soweit ich mich erinnere. Nein, die Demütigung war: einer seiner Seidensocken hatte ein Loch. Ein paar Tage vorher war auf demselben Stuhl ein echter Vorständler gesessen, der zog den Lackschuh aus, stellte fest, dass sein großer Zeh nackt aus dem Strumpf ragte, und krähte: » Hach, nä! Ich lach mich kaputt!« Man weiß einfach nicht, was den Leuten unangenehm ist. Manche zelebrieren ja auch ihren Gestank. Die ziehen dann ganz langsam ihren Schuh aus und sagen mit einer Mischung aus Hass und Verachtung: » Das geschieht jetzt auf Ihre eigene Verantwortung!« Und einer sagte mal wortwörtlich zu mir: » Ich kann Sie nicht leiden. Aber bitte, dann haben wir jetzt beide was davon!« Ohne jede Vorgeschichte, einfach so. Das dauert etwa ein Jahr, bevor einem da nicht mehr die Kinnlade runterfällt. Und unterm Strich kann man sich immer sagen: Was aus einem Schuh kommt, ist meistens weniger schlimm als was aus einer Prothese kommen kann.
    Seit den jüngsten Kriegen kommen die ja wieder häufiger vor: Beinstümpfe, die in einer Prothese unterwegs sind. Wir müssen die Prothese durchleuchten, also bitten wir den Träger in die Kabine, damit er die Prothese abschnallen kann. Meine Erfahrung dabei: Die Kontaktstelle von Stumpf und Prothese braucht extrem gute Pflege. Und man sieht es dem Menschen nicht an, ob er einer von den guten Pflegern ist oder einer von den nachlässigen. Aber man riecht es in Sekundenbruchteilen, und wenn man Pech hat, wäre man jederzeit bereit, stattdessen eine Woche lang durch alte Socken zu

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