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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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erholsamen Schlaf gewesen, doch eine Unruhe trieb sie um.
    Sie stand auf, suchte nach ihren Holzschuhen und tastete sich langsam zur Tür. Draußen empfing sie dieselbe Schwärze wie in ihrem Zimmer. In der Zelle ihres Klosters hatte wenigstens das Ewige Licht vor sich hin geblakt und einen Schein abgegeben, in dem sich das Auge, das an die Dunkelheit gewöhnt war, zurechtgefunden hatte. Hier schien es, als trete man mit jedem Schritt in eine Bodenlosigkeit.
    Sie suchte mit den Zehen den Abgang nach unten. Aus der Gaststube vernahm sie Lärm, und aus dem Aufgang drang endlich auch eine dumpfe Helligkeit herauf.
    Isabella kletterte langsam die Treppe hinab, immer darauf bedacht, nicht ins Leere zu treten, und blieb kurz vor deren Ende stehen.
    »Was willst du hier?«
    Die Stimme ließ sie zusammenzucken, obwohl sie gewussthatte, dass in der Küche immer jemand aufwartete, solange der Ausschank geöffnet war. Suor Patina saß in dem knarzenden Flechtstuhl in der Ecke des Ausschanks. Obwohl Isabella nur Umrisse erkennen konnte, war die Stimme unverkennbar. Man hörte ihr an, dass die Sprecherin unausgeschlafen, womöglich ein wenig eingenickt und jetzt von dem ungewohnten Geräusch aufgewacht war.
    »Ich kann nicht schlafen«, antwortete Isabella wahrheitsgemäß. »Und ich will reden. Mit Euch reden, wenn Ihr bereit seid, mir zu antworten.«
    Sie wunderte sich selbst über die Wendung der Dinge. Doch was sonst hätte sie sagen sollen? Dass sie vorgehabt hatte, zurück nach San Lorenzo zu gehen, wollte sie nicht verraten.
    »Es kommt auf die Fragen an, die Ihr mir stellt, Suor Isabella«, kam die Antwort zurück.
    Es war für Isabella ein eigenartiges Gefühl, so in die Finsternis hineinzusprechen und auf eine Antwort von einem Menschen zu warten, den man nicht recht sehen konnte.
    »Ich bin nur eine Educanda ohne Weihe«, berichtigte Isabella, »keine Nonne.« Leise fuhr sie fort: »Ich will nicht in das Kloster eintreten. Vater hätte es gern gesehen, aber ich liebe einen Mann. Wir werden heiraten, wenn es die Umstände erlauben.« Die Schwester ihr gegenüber antwortete nicht. Isabella hörte sie nur seufzen, als verstehe sie ihre Probleme, könne jedoch nichts daran ändern.
    Isabella suchte nach einem Platz und setzte sich schließlich auf eine der schmalen Treppenstufen. Das war nicht bequem, doch es war die einzige Möglichkeit. »Kanntet Ihr Suor Francesca?«, fragte sie geradeheraus und bemerkte sofort, dass sie auf ein heikles Thema gestoßen war.
    »Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte Suor Patina zurück.
    »Sie war meine Tante – und jetzt ist sie tot!«, antwortete Isabella leise. »Sagt nichts, und versucht mir auch keine Lügen aufzudrängen. Ich habe ihre Leiche gesehen.«
    »Ich wollte Euch nicht belügen«, entgegnete Suor Patina sanft. »Ich kannte Eure Tante gut. Sie kam regelmäßig hierher.«
    In der Dunkelheit verwoben sich ihre Stimmen zu einem immer dichteren Netz der Sympathie. Isabella bemerkte, wie die Schwester ihr gegenüber ihre anfängliche Zurückhaltung ablegte.
    »Sie hat hier geholfen? Beim Ausschank?« Isabellas Herz schlug höher. Ihre Tante hätte auch anderes hier in diesem Gasthof treiben können.
    »Nein. Oder zumindest nicht immer. Sie traf hier, wie viele Frauen aus San Lorenzo, Männer. Das heißt, Suor Francesca traf nur einen Mann. Den dafür regelmäßig.«
    Isabella musste schlucken. So direkt hatte ihr das bislang niemand gesagt. Selbst Suor Maria und Suor Anna hatten die Bekanntschaften ihrer Tante bislang eher umschrieben oder angedeutet.
    »Wisst Ihr, wen sie getroffen hat?«, fragte Isabella. Sie bemerkte, wie ihr bei der Frage der Hals trocken wurde, sodass sie sich räuspern musste. Ihr Herz schlug noch einen Schlag schneller.
    »Warum wollt Ihr das wissen, Isabella? Wollt Ihr Euch an dem Mann rächen? Ich glaube, die beiden hatten eine harmonische Beziehung und waren glücklich miteinander. Sie trafen sich hier, seit sie im Kloster lebte, zweimal die Woche, jeweils montags und donnerstags.«
    Isabella setzte zu einer Erwiderung an, doch sie wusste nicht, was sie hätte sagen sollen.
    »Bevor Ihr Eure Tante verurteilt, bedenkt, sie war in derselben Lage wie Ihr jetzt. Sie liebte. Nun ist die Liebe für eine Nonne kein verbotenes Gefühl, solange sie sich auf die Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus beschränkt. Jede andere, vor allem jegliche körperliche Liebe einem Menschen gegenüber, ist jedoch untersagt. Was hätte sie tun sollen? Sich diese Gefühle

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