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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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flackernde Ungeheuer hinter ihr, das sich immer rascher durch die Papierberge fraß, warf genügend Licht, damit sie sich orientieren konnte.
    Sie riss die Tür zum Schlafgemach auf. »Ehrwürdige Mutter, Messer Contarini, Ihr müsst hier weg«, schrie sie in den Raum hinein – und verstummte.
    Trotz ihrer Furcht und des unsteten Flackerscheins, der von den Flammen ausging, erkannte sie sofort, was geschehen war. Die Mutter Äbtissin lag mit dem Kopf auf der Brust des Alten. Dessen Mund klaffte auf. Die Augen starrten blicklos zur Decke. Isabella trat näher und wollte die Nonne berühren, doch eine Blutlache zu Füßen der alten Frau hielt sie zurück. Tot. Beide tot?
    Ein Fauchen hinter ihr ließ sie herumfahren. Die Flammen hatten einen der hölzernen Mittelpfeiler erreicht, und das Feuerwesen sprang daran hoch, als wäre er ein Kamin. Im nächsten Augenblick stand der Pfeiler in Flammen, und das Feuer begann zu brüllen. Sie musste hier raus, wenn sie nicht verbrennen wollte. Und der einzige Weg, der für sie offen blieb, war der zum Straßenausgang.
    Sie hastete an der Wand entlang, Richtung Treppenhaus. Der Sog des Feuers riss einzelne glühende Papierfetzen in die Höhe und verteilte sie über den Saal. Im Nu verbreiteten diese die Feuerherde über den gesamten Raum. Isabella musste sich mehrmals solche glühenden Teile von ihrer Kutte streifen. Ein Geruch verbreitete sich, als würde man Weihrauch verbrennen. Der Geruch sterbender Papyrusrollen. Sie war die Tochter ihresVaters, der solche Geheimnisse kannte und sie ihr selbst vorgeführt hatte.
    Endlich fand sie den Abgang und hastete die Treppenflucht hinab, begleitet von einem ohrenbetäubenden Prasseln. Die trockenen Balken waren zum Leben erwacht. In fliegender Hast jagte sie den Gang entlang, blind in der Finsternis, die sie wieder umhüllte, und stolperte über einen im Weg liegenden Körper. Sie schlug der Länge nach hin. Betäubt von ihrem Missgeschick blieb sie eine Schrecksekunde lang liegen. Erst ein Stöhnen neben ihr belebte ihre Fluchtgeister erneut. Sie rappelte sich auf. Sofort begann sie umherzutasten – um plötzlich von einem weiteren Aufstöhnen zurückgehalten zu werden. Diesmal war kein Zweifel möglich. Diese Stimme kannte sie.
    »Pater? Padre Antonio?«
    Ein erneutes Stöhnen antwortete ihr.
    »Was tut Ihr hier?«, fragte sie und tastete sich zurück zu dem Körper, der langsam zu erwachen schien. »Was macht Ihr am Boden?«
    »Isabella?«, hörte sie flüstern. Ein kurzer Schmerzensschrei löste das Flüstern ab. »Ihr hier? Was ... ist geschehen?«
    »Ich weiß nicht, was Euch geschehen ist«, erklärte ihm Isabella hastig, »doch dieser Palazzo steht bald zur Gänze in Flammen. Wir müssen hier raus. Wir müssen die Menschen wecken. Wenn das Feuer auf das Haus meines Vaters übergreift ...«
    »Wovon redet Ihr?«, stöhnte der Pater und schien sich aufzurichten. Bereits alarmiert vom Rauch setzte er hinzu: »Wonach riecht es hier?« Er schien in die Luft zu schnuppern und sog den Duft des brennenden Papyrus in die Nase. »Es brennt!«, rief er entsetzt, und im Nu war der Pater auf den Beinen. Isabella konnte ihn gerade noch an seiner Soutane packen und zurückhalten.
    »Nicht in die Bibliothek! Sie steht in Flammen. Ich erkläre
Euch alles später. Jetzt kommt!«, befahl sie, griff fester zu und
zog den Mann hinter sich her in Richtung Ausgang. Langsamfüllte das Brüllen des Feuers auch das Innere des Ganges, und ein Lichtschein glitt die Treppen hinunter. »Raus hier!«
    Als sie aus der Straßentür des Palastes traten, war die Nachbarschaft bereits auf den Beinen. Niemand beachtete sie, man war mit der Eindämmung des Feuers beschäftigt. In der Nähe erklang das lärmende Gebimmel einer Kirchenglocke. Sie überschlug sich und läutete Sturm. Weitere Glocken stimmten in den Warnruf ein, und bald dröhnte das Geläut von allen Seiten. »Die Bücher ... die Manuskripte ...«, keuchte Padre Antonio und versuchte sich aus Isabellas Griff zu entwinden.
    »Kommt zu Euch, Pater!«, schrie sie den Geistlichen an. Sie zog den Pater unter einen überdachten Säulengang und drückte ihn dort in eine der Ecken. Widerwillig ließ er sich nieder. Es stank nach Moder und Urin. Nur der brennende Papyrus trieb einen beinahe unwirklichen Duft vorüber, der an Kirchen und Prozessionen erinnerte.
    »Was ist Euch widerfahren?«, bohrte Isabella nach.
    »Verflucht, mein Schädel!«, stöhnte der Pater und tastete nach seinem Haupt. »Jemand hat mir

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