Die Botschaft Der Novizin
Schlüssel zog und abschloss, versuchte Isabella sie so unauffällig wie möglich dabei zu beobachten, um ihre Beobachtung von Beginn der Non aus nächster Nähe zu bestätigen.
»Benötigt Ihr mich noch?«, fragte sie. Die Alte brummte mürrisch etwas in ihre Kutte und deutete dann zum Altar hinüber. »Hinter dem Bild findest du Staubwedel und Besen sowie eine kleine Kehrichtschaufel. Unter den Bänken, hinter den Sitzen, im Beichtstuhl muss alles sauber gemacht werden.«
Die kleine Nonne selbst steuerte eine Nische nahe der Tür an.
Dort stand ein dreibeiniger Schemel. Sie setzte sich darauf, lehnte den Kopf zurück und die Schultern gegen die Rückwand und schloss die Augen.
Isabellas Körper spannte sich. Sollte sie ausprobieren, ob sich die Handschrift mit ihrem Schlüssel öffnen ließ?
Langsam ging sie am Pult vorbei und spähte hinter das Altarbild. In dem schmalen Spalt zwischen Altar und Wand lagen die von der Chornonne beschriebenen Geräte. Mit dem Staubwedel begann Isabella zuerst das Buch abzustauben, dann das Pult selbst, den Altar und schließlich das ansteigende Chorgestühl für die Chornonnen und ehrwürdigen Mütter. Danach im Mittelgang die Kniebänke für die Educandas und Novizinnen. Als sie ihre Arbeit zur Hälfte beendet hatte, begann Signora Ablata laute Schlafgeräusche von sich zu geben. Isabella horchte auf. Das Pult mit der Handschrift zog sie an wie ein Magnet. Sie richtete sich auf, sah zu dem nun verschlossenen Werk hinüber, dessen Rubine im Schein der Kerzen und im düsteren Lichteinfall der Obergadenfenster schimmerten. Sie lockten und schienen eine Versuchung wert. Doch ein leises Klicken und ein unbestimmter Luftzug, der plötzlich im geschlossenen Raum über ihre Wangen strich, ließen Isabella augenblicklich vorsichtig werden. Nicht allzu hastig, als verrichte sie ihre Arbeit zwar willig, jedoch nicht mit der gebotenen Freude, putzte und kehrte sie weiter. Was hatte Suor Maria ihr gesagt? Es gebe mehrere geheime Gänge in diesem Kloster. Anscheinend war gerade eben einer davon aufgetan worden. Weil niemand sich zeigte, konnte es nur bedeuten, dass sie daraus beobachtet wurde. Hatte die Mutter Äbtissin, wie Padre Antonio es ihr bereits angedeutet hatte, sie im Verdacht, den Schlüssel zu besitzen? Wäre es dann nicht das Einfachste gewesen, sie an die Stelle zu führen, wo sie dem Geheimnis des Schlüssels auf die Spur kommen konnte, und sie so zu prüfen? Wenn man sie jetzt über das Buch gebeugt vorgefunden hätte, wäre sie sicherlich ... Sie wollte den Gedanken gar nicht zu Ende denken,denn die beiden toten Nonnen gingen ihr nicht aus dem Sinn. Wer stand da in einem geheimen Gang und beobachtete sie? Die Äbtissin? Signora Artella?
Rückwärts näherte sie sich der Stelle, von der der Luftzug herkam. Zu den Gittern hin, die auf das Hauptschiff hinaussehen ließen, befand sich eine Holzvertäfelung, die ins Chorgestühl überging und in die links und rechts vom Lettner je ein Beichtstuhl eingelassen war. Beide kamen für einen geheimen Zugang in Frage.
Isabella war froh, dass sie vorne beim Altar mit der Säuberung begonnen hatte. Langsam näherte sie sich dem ersten Beichtstuhl, schob vorsichtig den Vorhang zum Stuhl des Beichtigers zurück und besah sich den Innenraum, während sie gleichzeitig vorgab, ihn zu fegen. Ein weiteres, kaum vernehmbares Klicken, das beinahe im Huschen ihres Wedels verloren gegangen wäre, ließen Isabellas Nackenhaare sich aufstellen. Es kam von dem Beichtstuhl gegenüber, der auf der Seite lag, durch die man auch den Nonnenchor betrat. Dort also befand sich der Zugang, der soeben geschlossen worden war.
Auch hier vollführte sie dieselbe Prozedur wie zuvor, nur gründlicher, während sie gleichzeitig nach einem Öffnungsmechanismus suchte. Die Seiten, an denen die Kniebänke der Büßerinnen standen, konnte sie von vornherein als ungeeignet verwerfen. Blieb also nur der von einem Vorhang verdeckte Sitz des Beichtigers. Sie nahm den schmalen Raum noch einmal in Augenschein, lauschte jedoch gleichzeitig darauf, ob die ehrwürdige Mutter Ablata noch ihre Schnaufer und Schnarcher ausstieß.
Die Zeit drängte. Hektisch suchte sie das Innere des Stuhlraums ab. Sie versuchte alle Beschläge und vorstehenden Teile zu drehen, zu drücken oder zu kippen. Nichts. Einmal glaubte sie sich am Ziel, als sich ein Metallbeschlag tatsächlich um seine eigene Achse drehen ließ. Doch ihm fehlte nur ein Nagel, der ihn fixiert hätte.
Ungeachtet der
Weitere Kostenlose Bücher