Die Bourne Intrige
und erinnerte sich an Moira, mit der er absichtlich keinen Kontakt hatte, seit sie die Insel verlassen hatte.
» Bapak , wie kann ich Ihnen helfen, dass Sie wieder in Form kommen?«, fragte der Vater des Jungen.
Hatte er einen Verdacht, oder war er einfach nur hilfsbereit?, fragte sich Bourne. Dann zuckte er in Gedanken die Achseln. Was spielte es schon für eine Rolle? Als typischer Balinese war dieser Mann auf jeden Fall ehrlich, das spürte er. Das war etwas, das Bourne über die Menschen hier gelernt hatte. Sie waren das genaue Gegenteil von den verschlagenen, verlogenen Männern und Frauen, die sich in seiner eigenen Welt tummelten. Das Einzige, wovor man sich hier in Acht nehmen musste, waren die Dämonen – doch es gab Mittel und Wege, wie man sich vor ihnen schützen konnte. Bourne dachte an das Doppel-Ikat-Tuch, das Moira auf Suparwitas Geheiß für ihn gekauft hatte.
»Es gibt da schon etwas«, sagte Bourne schließlich. »Sie können mir helfen, Suparwita zu finden.«
»Ah, den Heiler, ja.« Der Balinese hielt kurz inne, so als würde er einer Stimme lauschen, die nur er hören konnte. »Er ist nicht in seinem Haus.«
»Ich weiß. Ich war dort«, sagte Bourne. »Ich habe eine alte Frau ohne Zähne dort gesehen.«
Der Mann lächelte und zeigte seine weißen Zähne. »Suparwitas Mutter, ja. Eine sehr alte Frau. Taub wie eine Kokosnuss, und stumm noch dazu.«
»Sie hat mir nicht weiterhelfen können.«
Der Mann nickte. »Was in ihrem Kopf ist, das weiß nur Suparwita.«
»Wissen Sie, wo er ist?«, fragte Bourne. »Es ist wichtig, dass ich ihn finde.«
»Suparwita ist ein Heiler, ja.« Der Mann sah Bourne freundlich an. »Er ist nach Goa Lawah gegangen.«
»Dann werde ich dorthin gehen.«
» Bapak , es wäre nicht klug, ihm zu folgen.«
»Ehrlich gesagt«, antwortete Bourne, »mache ich nicht immer das, was klug ist.«
Der Mann lachte. » Bapak , Sie sind schließlich auch nur ein Mensch.« Er lächelte erneut. »Aber keine Sorge. Suparwita vergibt den törichten Menschen genauso wie den klugen.«
Die Fledermaus, eine von Dutzenden, die an den feuchten Wänden hingen, öffnete ihre Augen und sah Bourne an. Sie blinzelte, als könne sie nicht glauben, was sie da sah, dann gab sie sich wieder ihrem Tagesschlaf hin. Bourne, der die untere Hälfte seines Körpers in einen traditionellen Sarong gehüllt hatte, stand im Höhlentempel von Goa Lawah mitten in einer Menge von betenden Balinesen und japanischen Touristen, die eine Pause in ihren Einkaufstouren einlegten.
Goa Lawah in der Nähe der Stadt Klungkung im Südosten von Bali war auch als »Fledermaushöhle« bekannt. Viele große Tempelkomplexe wurden an Quellen erbaut, weil man dieses Wasser aus dem Inneren der Insel als heilig ansah. Man glaubte, dass es diejenigen, die zum Beten herkamen, spirituell reinigen könne. Die Leute tranken das Wasser und besprengten sich damit. Das heilige Wasser von Goa Lawah sprudelte am hinteren Ende einer Höhle aus der Erde hervor. Diese Höhle wurde von Hunderten Fledermäusen bewohnt, die tagsüber an den Kalksteinwänden hingen und träumten und nachts in den dunklen Himmel flogen, um Insekten zu fangen. Die Balinesen aßen zwar oft auch Fledermäuse, aber den Tieren von Goa Lawah blieb dieses Schicksal erspart, weil alles, was an einem heiligen Ort lebte, ebenfalls als heilig galt.
Bourne hatte Suparwita nicht gefunden. Stattdessen war er bei einem kleinen runzligen Priester mit Spreizfüßen und Hasenzähnen gelandet, der vor einem kleinen steinernen Schrein mit Blumengaben eine Reinigungszeremonie durchführte. Etwa ein Dutzend Balinesen saß im Halbkreis da. Bourne sah zu, wie der Priester eine kleine geflochtene Schüssel mit heiligem Wasser nahm, ein Palmenblatt hineintauchte und die Anwesenden besprengte. Keiner sah Bourne an oder achtete auch nur im Geringsten auf ihn. Diese Fähigkeit der Balinesen, sich auf sich selbst zu konzentrieren und sich auf ihre Werte zu besinnen, war der Grund dafür, dass ihre Form des Hinduismus und ihre einzigartige Kultur auch nach Jahrzehnten des Tourismus unverfälscht geblieben war und dass sie sich auch dem Druck der Muslime nicht gebeugt hatten, die auf allen anderen Inseln Indonesiens das Sagen hatten.
Bourne wusste, dass er hier etwas finden konnte, etwas, das für die Balinesen selbstverständlich war und das ihm helfen würde, sich zu erinnern, wer er wirklich war. Die David-Webb-Persönlichkeit und die Jason-Bourne-Identität waren beide unvollkommen;
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