Die Bourne Intrige
Stadt hinaus und weiter auf die Wüste zu.
»Unser Ziel liegt in der Nähe des Wadi Al-Rayan«, sagte Amun Chalthoum, der Chef des Geheimdienstes, zu Soraya. Er hatte sie sofort erblickt und aus dem Team herausgeholt, damit sie sich in seinem Wagen neben ihn setzte. Sie fuhren als Zweite in der Kolonne hinter einem gepanzerten Halbkettenfahrzeug, das Chalthoum zweifellos einsetzte, um gegenüber den Amerikanern Stärke zu demonstrieren.
Chalthoum sah aus, als hätte für ihn die Zeit stillgestanden. Sein Haar war immer noch dicht und dunkel, seine breite bronzefarbene Stirn immer noch ohne Falten. In seinen dunklen Augen über dem Habichtschnabel seiner Nase brannte immer noch das gleiche Feuer. Er war groß und muskulös und hatte die schmalen Hüften eines Schwimmers oder Kletterers. Seine langen Finger hingegen waren die eines Pianisten oder Chirurgen. Und doch wirkte er irgendwie verändert – sie fühlte, dass da etwas in ihm brannte, ein Zorn, den er mit Mühe im Zaum hielt.
Jetzt, wo sie neben ihm saß und die einst vertraute Regung in sich spürte, wurde ihr klar, warum sie Veronica Hart nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte: weil sie sich gar nicht so sicher war, ob sie mit Amun wirklich fertigwerden würde.
»Du bist so still. Ist es denn kein bisschen aufregend, wieder zu Hause zu sein?«
»Ehrlich gesagt habe ich an das letzte Mal gedacht, als du mit mir hier heraus zum Wadi gefahren bist.«
»Das ist acht Jahre her, und ich wollte einfach nur die Wahrheit herausfinden«, sagte er kopfschüttelnd. »Gib’s doch zu, du warst in meinem Land, um irgendwelche Geheimnisse …«
»Ich gebe gar nichts zu.«
»… weiterzugeben, die unserem Staat gehören.« Er tippte sich auf die Brust. »Und ich bin der Staat.«
»Le Roi le Veu t « , murmelte sie.
»Der König will es so«, sagte Chalthoum kopfnickend. »Genau.« Und er nahm für einen Moment die Hände vom Lenkrad und breitete die Arme aus, wie um die Wüste zu umfassen, in die sie gerade hineinfuhren. »Das ist das Land des Absolutismus, Umm al-Dunya , die Mutter der Welt … aber ich erzähle dir da ja nichts Neues. Schließlich bist du auch Ägypterin.«
»Halb-Ägypterin«, korrigierte sie ihn achselzuckend. »Aber das ist nicht wichtig. Ich bin hier, um mit meinen Leuten herauszufinden, was mit diesem Flugzeug passiert ist.«
»Deine Leute.« Chalthoum spuckte die Worte verächtlich heraus, so als würden sie einen bitteren Geschmack in seinem Mund hinterlassen. »Hat Amerika die wilde Araberin in dir wirklich ganz ausgelöscht?«
Soraya lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Sie wusste, sie musste ihre eigenen Gefühle unter Kontrolle bekommen, und zwar schnell, sonst würde sie damit die ganze Mission gefährden. Dann streifte Amuns Arm kurz den ihren, und sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Großer Gott , dachte sie, ich darf das nicht empfinden . Ihr brach der kalte Schweiß aus. War das der Grund, warum ich Veronica nicht die Wahrheit gesagt habe – weil sie mich dann nie hierhergeschickt hätte? Und plötzlich hatte sie das Gefühl, in Gefahr zu schweben, nicht wegen Amun, sondern wegen ihrer eigenen ungezügelten Gefühle.
Sie nahm sich zusammen und sagte: »Mein Vater hat nie vergessen, dass er Ägypter ist.«
»Und darum hat er seinen Familiennamen von Mohammed zu Moore geändert«, erwiderte Chalthoum verbittert.
»Er hat sich in Amerika verliebt, als er sich in meine Mutter verliebte. Durch ihn habe ich das Land schätzen gelernt.«
Chalthoum schüttelte den Kopf. »Warum gibst du’s nicht zu, dass deine Mutter dahintersteckt?«
»Wie für alle Amerikaner war auch für meine Mutter alles selbstverständlich, was ihr Land zu bieten hatte. Der Independence Day war ihr im Grunde egal. Es war mein Vater, der mit mir zu der Feier auf der Mall in Washington ging und der mir erklärte, was Freiheit bedeutet.«
Chalthoum zeigte die Zähne. »Ich kann nur lachen über seine Naivität – und deine auch. Ehrlich gesagt hätte ich erwartet, dass du eine … wie soll ich sagen … pragmatischere Sicht von Amerika hast. Von diesem Land, das nicht nur Micky Maus exportiert, sondern auch den Krieg und seine Besatzungsarmeen.«
»Leider übersiehst du dabei, dass wir auch das Land sind, das euch vor euren Extremisten beschützt, Amun.«
Chalthoum biss die Zähne zusammen und wollte etwas antworten, als der Wagen durch einen Kordon seiner Männer rollte, die, mit Maschinenpistolen bewaffnet, die laut
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