Die Bourne Intrige
seltsam angespannt. »Handys sind zu unsicher. Ich konnte das Risiko nicht eingehen. Nicht bei dieser Sache.«
»Okay«, sagte sie und lehnte sich ins Fenster, »was ist denn so wichtig?«
»Nicht hier«, antwortete er und blickte sich verstohlen um. »Es könnte jemand mithören.«
Moira runzelte die Stirn. »Meinen Sie nicht, dass das ein bisschen paranoid ist?«
»Paranoid zu sein gehört zu meinem Job, nicht wahr?«
Sie nickte; wahrscheinlich hatte er Recht. »Also gut, was würden Sie …?«
»Ich muss Ihnen etwas zeigen«, fiel er ihr ins Wort und klopfte auf eine teuer aussehende saphirblaue Wildlederjacke, die auf dem Beifahrersitz lag, dann fuhr er los, bevor sie einsteigen oder auch nur etwas antworten konnte.
Sie sprintete zu ihrem Wagen und startete im Laufen den Motor mit der Fernbedienung. Sie riss die Tür auf, warf sich hinters Lenkrad, knallte die Tür zu und fuhr los. Jays Audi wartete oben am Ende der Rampe auf sie. Als er sie im Rückspiegel sah, fuhr er auf die Straße hinaus. Moira folgte ihm.
Der nächtliche Verkehr war spärlich, auf den Straßen waren vor allem Leute unterwegs, die vom Kino oder Theater heimfuhren. Deshalb verstand sie nicht, warum Jay an der P Street die rote Ampel überfuhr, doch er machte es bei den folgenden Querstraßen genauso. Moira bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten; mehr als einmal konnte sie dem Querverkehr nur knapp ausweichen, und sie hörte Reifen quietschen und wütendes Hupen.
Drei Häuserblocks weiter wurde ein Cop auf einem Motorrad auf sie aufmerksam. Sie blendete auf, um Jay zu warnen, doch er sah es entweder nicht oder ignorierte sie, denn er raste weiter und überfuhr dabei alle roten Ampeln. Plötzlich sah sie den Cop an sich vorbeiziehen und zum Audi vor ihr brausen.
»Scheiße«, murmelte sie und trat aufs Gaspedal.
Sie überlegte, wie sie die Verstöße ihres Mitarbeiters erklären würde, als der Cop zum Audi aufschloss und neben ihm herfuhr. Im nächsten Augenblick zog er seinen Revolver, zielte auf das Fahrerfenster und drückte zweimal hintereinander ab.
Der Audi geriet ins Schleudern. Moira hatte nur wenige Sekunden, um ihm auszuweichen, doch sie hatte alle Mühe, ihren eigenen Wagen bei dem hohen Tempo zu bändigen. Aus dem Augenwinkel sah sie den Polizisten auf dem Motorrad davonbrausen und an der nächsten Querstraße Richtung Norden abbiegen. Der Audi krachte gegen ihren Wagen und brachte ihn ebenfalls ins Schleudern.
Der Zusammenprall warf den Audi um wie einen Käfer, der auf seinem harten glänzenden Rücken landete. Doch er rollte, wie von einem gigantischen Finger weggeschnippt, weiter und überschlug sich mehrmals, und Moira verlor ihn aus den Augen, als ihr Wagen gegen eine Straßenlaterne krachte und schließlich gegen ein parkendes Auto geschleudert wurde. Der Aufprall drückte den vorderen Kotflügel und die Fahrertür ein. Ein Hagel von Glassplittern ging über ihr nieder, als sie nach vorn gerissen wurde, gegen den Airbag stieß und wieder zurück in den Sitz geschleudert wurde.
Dann wurde es schwarz um sie herum.
Sie kletterte vorsichtig über die Sitze und hatte das Gefühl, in einem Meer gestrandeter Leichen zu waten. Am schwersten war es, an den zerschmetterten Körpern der Kinder vorbeizugehen, ohne dass einem das Herz brach. Soraya murmelte ein Gebet für diese Seelen, denen die Entfaltung in diesem Leben verwehrt worden war.
Als sie zu Delia kam, merkte sie erst, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Sie atmete mit einem leisen Zischen aus, und der beißende Geruch von verbrannten Kabeln, Kunstfasern und Plastik stieg ihr mit voller Wucht in die Nase.
Sie legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter und sagte, an ihren ägyptischen Beobachter denkend, mit leiser Stimme: »Gehen wir ein bisschen hinaus.«
Der Beobachter wollte ihnen folgen, doch Chalthoum hielt ihn mit einer kurzen Geste zurück. Das Licht draußen in der Wüste blendete selbst mit Sonnenbrille, doch die Hitze fühlte sich sauber und trocken an. Die mörderische Sonne war eine willkommene Erholung von der ungeheuren Zerstörung, mit der sie hier konfrontiert waren. In die Wüste heimzukehren, dachte Soraya, war wie zu einem Geliebten zurückzukommen, nach dem man sich gesehnt hatte. Der Sand war wie eine sanfte Liebkosung auf der Haut. In der Wüste sah man, was auf einen zukam. Menschen wie Amun zogen es vor zu lügen, weil sie die nackte Wahrheit nicht ertrugen. Die Wüste hingegen sagte immer die Wahrheit, wenn sie
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