Die Bourne Intrige
er?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Bourne. »Aber ist Ihnen die Narbe an seinem Hals aufgefallen?«
Sie riskierte noch einen kurzen Blick in den Spiegel, dann nickte sie.
»Derjenige, der ihn geschickt hat, will mich wissen lassen, dass er hier ist.«
»Ihre Konkurrenten?«
»Ja. Das sind üble Kerle«, improvisierte er. »Das ist eine typische Einschüchterungsstrategie.«
Ein besorgter Ausdruck trat auf Tracys Gesicht, und sie wich einen Schritt von ihm zurück. »Mit was für schmutzigen Geschäften haben Sie denn zu tun?«
»Es ist genau so, wie ich es Ihnen gesagt habe«, antwortete Bourne. »Aber in diesem Geschäft gibt es jede Menge Wirtschaftsspionage, weil es oft entscheidend sein kann, mit einem neuen Produkt oder einer Idee als Erster auf dem Markt zu sein. Das kann den Unterschied ausmachen, ob einem am Ende Google oder Microsoft die Firma für eine halbe Milliarde Dollar abkauft oder ob man pleitegeht.«
Die Erklärung schien sie ein wenig zu beruhigen, doch sie war immer noch sichtlich angespannt. »Was wollen Sie jetzt machen?«
Bourne schritt zu dem freien Computer und setzte sich davor, und Tracy folgte ihm. Als er nach Informationen über das Museo del Prado zu suchen begann, beugte sie sich über seine Schulter und sagte: »Das können Sie sich sparen. Der Mann, den Sie suchen, ist Professor Alonzo Pecunia Zuñiga.«
Es war der Goya-Experte im Prado, der in dem Brief in ihrer Aktentasche die Echtheit von Herreras Goya bestätigt hatte.
Schnell tippte er den Namen ein. Er musste mehrere aktuelle Einträge durchgehen, bis er ein Foto des Professors fand, auf dem er gerade eine Auszeichnung von einer der vielen spanischen Stiftungen erhielt, die Goyas Leben und Werk in der ganzen Welt präsentierten.
Alonzo Pecunia Zuñiga war ein schlanker Mann etwa Mitte fünfzig, mit einem eleganten Kinnbart und buschigen Augenbrauen. Bourne vergewisserte sich, dass es ein aktuelles Foto war, und druckte es aus, was ihn ein paar Euro extra kostete. Mit Hilfe von Google Local suchte er die Adressen von verschiedenen Geschäften.
»Unsere erste Station«, erklärte er Tracy, »liegt ganz in der Nähe des Paseo de Cristóbal Colón, beim Maestranza-Theater.«
»Was ist mit dem Mann mit der Narbe?«, flüsterte sie.
Bourne leerte noch den Browser-Cache, indem er den Browserverlauf und alle Cookies löschte. »Ich gehe davon aus, dass er uns folgt«, antwortete er.
»Gott«, sagte Tracy schaudernd. »Ich hoffe, Sie täuschen sich.«
Der breite Paseo verlief neben dem östlichen Arm des Flusses Guadalquivir im Stadtviertel El Arenal. In diesem historischen Viertel waren viele der Semana-Santa-Bruderschaften zu Hause. Von der schönen Stierkampfarena Maestranza aus, gegenüber dem gleichnamigen Theater, sahen sie den Torre del Oro, den alten maurischen Befestigungsturm, der am Ende der Stadtmauer den Hafen vor feindlichen Schiffen schützte. Der »Goldene Turm« war ein Wahrzeichen aus dem 13. Jahrhundert, in dem das Königreich Kastilien die Stadt nach langen, zähen Kämpfen im Jahr 1248 von den Arabern zurückerobern konnte.
»Waren Sie schon einmal bei einer Corrida?«, fragte Bourne.
»Nein. Ich hasse Stierkampf.«
»Dann haben Sie jetzt die Chance, es sich einmal anzusehen und sich ein eigenes Bild zu machen.« Er nahm sie an der Hand, ging zum Kartenschalter am Haupttor und kaufte zwei Sol Barreras , die einzigen Plätze in der ersten Reihe, die noch zu haben waren, weil sie in der Sonne lagen.
»Ich weiß nicht, ob ich das will«, wandte Tracy zögernd ein.
»Entweder Sie kommen mit«, sagte Bourne, »oder ich lasse Sie hier – aber dann wird Ihnen unser Freund Narbengesicht bestimmt ein paar Fragen stellen.«
Ihre ganze Haltung wurde plötzlich steif. »Er ist uns hierhergefolgt?«
Bourne nickte. »Kommen Sie.« Er zeigte seine Eintrittskarten und schob Tracy durch den Eingang. »Keine Sorge«, fügte er hinzu. »Ich kümmere mich um alles. Vertrauen Sie mir.«
Ein wildes Brüllen signalisierte, dass das Spektakel schon angefangen hatte. Rund um die Arena erhoben sich die Sitzreihen. Während sie den Gang entlanggingen, wurde gerade der erste Stier im Zuge der Suerte de Picar bearbeitet. Die Picadores auf ihren Pferden, die einen Schutz gegen die Hörner des Stieres trugen, stießen ihre kurzen Lanzen in den Nacken des Stieres, der sich damit verausgabte, auf die Pferde loszugehen. Die Pferde hatten verbundene Augen und ölgetränkte Stofftücher in den Ohren, damit sie den Stier
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