Die Bräute des Satans
Rundbögen den Blick auf den Friedhof freigaben. Aus dem Nebel, der die Gräber wie ein Leichentuch verhüllte, ragten ein paar schmucklose Holzkreuze empor, und der Eindruck drängte sich auf, es würde nie wieder richtig Tag werden. »Und wo habt Ihr diese Dienstmagd untergebracht, Bruder?«
»Im Hospiz«, entgegnete der Bibliothekarius, dem die unwirtliche Szenerie langsam auf den Magen schlug. »Vorsichtshalber.«
»Unter Aufsicht?«
»Selbstverständlich. Bei dem, was sich heute Morgen abgespielt hat, führte kein Weg daran vorbei.«
»Wohl kaum.« Bruder Adalbrand hielt kurz inne, ließ Daumen und Zeigefinger über das Kinn gleiten und starrte nachdenklich vor sich hin. »Und Bruder Severus?«, fragte er. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Bedauerlicherweise nicht.«
»Üble Geschichte.«
»Da muss ich Euch recht geben«, pflichtete Bruder Hilpert dem Prior bei. Bruder Marsilius, der Infirmarius, hatte offenbar ganze Arbeit geleistet, und abgesehen von seinen Sorgenfalten war Bruder Adalbrand schon fast wieder der Alte.
»Auf gut Deutsch: Wir müssen uns etwas einfallen lassen«, murmelte der Prior, holte tief Luft und setzte die Wanderung durch den Spitalgang fort. »Damit ich – respektive wir beide – von unliebsamen Überraschungen nach Möglichkeit verschont bleiben. Von der Wirkung, welche derlei Vorkommnisse auf unsere Brüder haben, gar nicht zu reden. Wie ich die kenne, hat sie der Aufruhr heute Morgen ganz schön in Wallung versetzt, hab ich recht?«
»Und ob«, stimmte Bruder Hilpert angesichts der nachdenklichen Miene seines Gesprächspartners zu. »Man könnte meinen, das Gerede, Mechthild sei an allem Schuld, fällt bei dem einen oder anderen auf fruchtbaren Boden.«
»So, könnte man das.« Bruder Adalbrand schnaubte amüsiert, doch kurz darauf verhärteten sich seine Züge wieder. Von den Lachfalten, seinem Markenzeichen, war nichts mehr zu sehen, und die stahlblauen Augen ließen den gewohnten Glanz vermissen. »Und was schlagt Ihr vor, um diese Kalamität zu beheben?«
»Schwer zu sagen.« Die Arme unter den Ärmeln seiner Tunika verschränkt, blieb Bruder Hilpert am Ostende des Spitalgangs stehen. Vielleicht war es falsch, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, Abwarten zunächst einmal das Klügste. Zumal kein Mensch sagen konnte, wo Bruder Severus eigentlich abgeblieben und ob ihm etwas zugestoßen war. »Gut möglich, dass das, was sich vorhin abgespielt hat, tatsächlich nichts anderes als Zufall …«
»Was sonst sollte es denn sein?«
»… ist und wir besser daran täten … bitte um Vergebung, Bruder Prior, aber ich war gerade in Gedanken.« Bruder Hilpert, bei dem der gestrenge Gesichtsausdruck des sonst so jovialen Priors auf Verwunderung stieß, zupfte sein Skapulier zurecht und sah Bruder Adalbrand aus dem Augenwinkel an. »Wie gesagt, ich denke, hierbei kann es sich genauso gut um eine Häufung höchst unglücklicher Zufälle handeln.«
»Der Meinung bin ich allerdings auch.«
»Dann wären wir uns ja einig«, erwiderte Bruder Hilpert und breitete die Hände aus, im Bestreben, das für ihn unerquickliche Thema nicht unnötig zu strapazieren. »Auf den Punkt gebracht: Wir werden alles unterlassen, was die Gemüter erhitzen und Spekulationen jedweder Art nähren könnte.«
»Genau«, antwortete Bruder Adalbrand, holte sein Schweißtuch hervor und betupfte sich die Stirn. »Dieses heimtückische Fieber«, ächzte er verstimmt. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich mich wieder in meine Krankenstube …«
Diesmal war es der Prior, welcher unterbrochen wurde, wenn auch nicht durch Bruder Hilpert, der mindestens ebenso alarmiert war wie er.
»Bruder Prior, Bruder Prior!«, gellte es durch den gewölbeartigen Korridor, begleitet vom Klappern der Holzpantinen, die der Infirmarius in der Aufregung verlor. »Bruder Prior, hört mich an!«
Wie auf Kommando fuhren der Angesprochene und Bruder Hilpert herum. Die Stimme des Infirmarius, schrill wie ein Angstschrei, ließ ihn das Schlimmste befürchten, und als Bruder Marsilius Atem geschöpft hatte, sollte sich die Befürchtung des Bibliothekarius bestätigen.
Eine neuerliche Hiobsbotschaft. Und er konnte sich denken, welche.
»Bruder Prior«, stieß der Infirmarius zum x-ten Mal hervor, als ob der ihn nicht längst bemerkt hätte.
»Ja?«, erwiderte Adalbrand gefasst.
»Es ist wegen Bruder Severus«, keuchte der zuweilen recht zerstreute Infirmarius. »Er ist tot.«
»Tot?«, wiederholten Bruder Hilpert und der Prior
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