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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Berg von Buchenholzscheiten hervorragte. »Wie darf ich das verstehen?«
    Der Kalefaktor, der den Anblick der Feuerstelle beharrlich mied, fingerte einen Tuchfetzen unter seinem Habit hervor und presste ihn gegen die Nase. Der Geruch, eine Mischung aus Rauch, Ruß und geronnenem Blut, war nur schwer zu ertragen, für Bruder Hilpert nicht minder. »Als ich das Holz gestern Abend nach der Komplet hergekarrt habe, ist gerade ein Regenguss runtergegangen. Na ja, und da ist das Holz eben ein bisschen nass geworden. Nichts Schlimmes, aber man weiß ja, wie die Brüder so sind, wenn die Heizung nicht richtig funktioniert.«
    »Soso«, antwortete Bruder Hilpert, der die Grillen seiner Brüder gewöhnlich mit Nachsicht betrachtete, »und wie sind sie dann?«
    Der Kalefaktor errötete bis in die Haarspitzen und scharrte mit dem Fuß. »Ungehalten –«, antwortete er mit Nachdruck, »gelinde ausgedrückt.«
    »Der Grund, weshalb du es vorgezogen hast, hier nach dem Rechten zu sehen – ich verstehe. Und dann?«
    »Dann ist mir sofort aufgefallen, dass hier was nicht stimmt.«
    ›Kann man wohl sagen!‹, pflichtete Bruder Hilpert dem Kalefaktor insgeheim bei, im Begriff, die Holzscheite über der Feuerstelle nach und nach beiseitezuräumen. »Ganz schönes Durcheinander«, murmelte er bedrückt. »Falls es das ist, worauf du eben angespielt hast.«
    Der Kalefaktor sah Bruder Hilpert verdutzt an. »In der Tat«, antwortete er, voller Bewunderung für den Scharfsinn, mit dem der Bibliothekarius zu Werke ging.
    »Mit anderen Worten: Du hast das Holz sorgfältig übereinandergeschichtet, anders als der Mörder, nachdem er sein Opfer hierher gebracht hatte. Um wen auch immer es sich dabei gehandelt haben mag, der Betreffende muss entweder in Eile oder in Panik oder völlig konfus gewesen sein.« Bruder Hilpert machte ein nachdenkliches Gesicht. »Woran hast du Severus eigentlich erkannt?«, fragte der Bibliothekarius, während er die Holzscheite entfernte, unter denen sich der zerstückelte Torso immer deutlicher abzuzeichnen begann.
    Der Kalefaktor schluckte. »An seiner Hand«, presste er hervor, den Blick auf die gegenüberliegende Wand gerichtet. »Beziehungsweise dem kleinen Finger.«
    »Gut beobachtet.« Bruder Hilpert kannte den Bursarius nicht besonders gut. Die Tatsache, dass sein kleiner Finger verstümmelt war, war allerdings jedermann, und nicht nur ihm, bekannt. »Eine Frage noch: Wann genau am gestrigen Tag hast du das Holz hier hereingeschafft?«
    »Kurz vor der Vesper.«
    »Keine besonderen Vorkommnisse?«
    Kreidebleich im Gesicht, schüttelte der Kalefaktor den Kopf. In der Zwischenzeit hatte Bruder Hilpert, dem die Prozedur sichtlich zusetzte, sämtliche Buchenholzscheite beiseitegeräumt. Obwohl er wusste, dass dies unumgänglich war, hatte er seine ganze Kraft aufbieten müssen, und als er fertig war, kniete er nieder und sprach ein Gebet.
    Der Leichnam von Bruder Severus, beziehungsweise das, was von ihm übriggeblieben war, war auf einen Jutesack gebettet und sah wie ein Tierkadaver aus. Wie immer, wenn Bruder Hilpert mit den Auswüchsen menschlicher Barbarei konfrontiert wurde, deprimierte ihn diese zutiefst, auch und vor allem an diesem Tag. Die Spezies Mensch, so sein persönliches Fazit, war nun einmal zu allem fähig. Daran war anscheinend nichts zu ändern.
    Was diesen Fall von allen bisherigen unterschied, war vor allem die Grausamkeit, mit welcher der Mörder zu Werke gegangen war. Einen Widersacher vom Leben zum Tode zu befördern, war eine Sache, ihn wie Schlachtvieh zu traktieren, eine andere. Gewiss, am Tier im Menschen führte kein Weg vorbei. Das hier war indes nicht das Werk eines Tieres, sondern das einer Bestie. Wer in aller Welt war zu so etwas fähig, will heißen, ein menschliches Wesen in seine Einzelteile zu zerlegen? Wer war so abgebrüht, so verderbt, so gefühllos, dass er sämtliche Skrupel beiseite gewischt und dem Bursarius ein derartiges Ende bereitet hatte? Bruder Hilpert schlug die Hände vors Gesicht und ließ die Fingerkuppen langsam nach unten gleiten. Wer überhaupt war zu so etwas imstande?
    Und warum?
    »Kann ich jetzt gehen, Bruder?«
    Es war der Kalefaktor, der ihn aus den Gedanken riss, und da sich jeder weitere Kommentar erübrigt hatte, rappelte sich Bruder Hilpert auf, atmete tief durch und nickte. Heilfroh, den Ort des Grauens hinter sich lassen zu können, überließ ihm der Laienbruder seine Laterne, wandte sich ab und machte sich aus dem Staub.
    Es hätte nicht

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