Die Bräute des Satans
beschriebene Hälfte verschwinden lassen und die unbeschriebene zur Abfassung seiner kryptischen Botschaft benutzt.
Denkbar einfach, doch nicht effektiv genug, um ihn hinters Licht zu führen.
Was blieb, war jedoch die Frage nach dem Motiv. Diesbezüglich tappte er leider noch im Dunkeln. Bruder Hilpert steckte die Pergamentstreifen wieder ein, klappte den Folianten zu und starrte nachdenklich ins Leere. Der Talg in der Lampe ging zur Neige, und der Lichtkegel, der seine nachdenkliche Miene erhellte, geriet ins Flackern. In Gedanken bei seinem Widersacher, war ihm jegliches Zeitgefühl abhandengekommen. Und mit ihm das Gespür für die Gefahr, in der er schwebte.
Es war sein Instinkt, der dafür sorgte, dass Bruder Hilpert seinen Gedankengang unterbrach, die Tischkante umklammerte und Anstalten machte, sich umzudrehen.
Doch da war es bereits zu spät. Der Schmerz, der ihn durchzuckte, war so stark, dass er nicht einmal mehr Kraft zum Schreien besaß. Die Klinge, die seine Schulter durchbohrte, so spitz, dass sein Peiniger Mühe hatte, sie wieder herauszuziehen. Die Augen weit aufgerissen, fuhr Bruder Hilpert herum, starrte den Angreifer schmerzverzerrt an.
Und war so überrascht, dass er die Wunde in seiner Schulter glatt vergaß.
Einen Wimpernschlag lang standen Bruder Hilpert und der gedungene Mordbube einander gegenüber.
Dann erlosch die Lampe, und der Bibliothekarius wurde von tiefer, nicht enden wollender Dunkelheit umfangen.
Zur gleichen Zeit
[Bursariat, kurz vor Mitternacht]
Worin Alanus die Gefahr, in welcher er und Mechthild schweben, deutlich vor Augen geführt wird.
»Genug jetzt, von Steinsfurt! «, gebot der Großinquisitor, packte Billung an der Schulter und riss ihn zurück. »Schließlich brauchen wir ihn noch.«
»Wie Ihr wünscht, Eminenz«, stieß Billung zähneknirschend hervor, ließ von Alanus ab und spie vor ihm aus. Er hatte auf Rache gesonnen, und er hatte sie bekommen. Das war für ihn das Wichtigste. Hätte ihm der Dominikaner nicht Einhalt geboten, wäre dieser Hurensohn nicht so billig davongekommen. Doch was nicht war, sagte er sich, konnte ja noch werden. »Verdient hat er es ja wohl nicht anders.«
»Wer hier was verdient hat und wer nicht, überlässt du gefälligst mir!«, bellte der Großinquisitor und bedeutete Billung, das Feld zu räumen. »Schließlich bist du Zeuge, nicht Richter. Und darum aufs Neue: Gestehst du, Alanus Geißendörfer, von jener Dirne mit Namen Mechthild verhext worden zu sein? Und wenn ja, hast du mit ihr das Lager geteilt? Antworte, aber ein bisschen plötzlich!«
Selbst wenn er etwas hätte erwidern wollen, wäre Alanus nicht dazu imstande gewesen. Er lag immer noch auf dem Boden, kaum fähig, sich von der Stelle zu rühren. Kein Körperteil, der nicht schmerzte, keine Stelle, die nicht mit Fausthieben, Schlägen und Tritten malträtiert worden war. Die Fesseln, die ihm einen halben Zoll tief ins Fleisch schnitten, gar nicht zu erwähnen.
Für den Großinquisitor, der ihn wie ein erlegtes Stück Wild taxierte, schien all das jedoch ohne Bedeutung zu sein. »Verstockt wie eh und je«, verkündete er mit einem Achselzucken, zur Freude von Billung, der die Handfläche mit der geballten Faust traktierte. »Wie bedauerlich.«
»Eure Befehle, Eminenz?«, warf der bullige Spross aus niederadeligem Hause ein. »Wie wär’s, wenn ich noch ein wenig nachhelfe?«
Der Großinquisitor wimmelte Billung ab. »Sei einstweilen bedankt für deine Mühe, von Steinsfurt«, erwiderte er eisig. »Aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich es vorziehen, mit der Befragung fortzufahren.«
»Ganz wie es Euch beliebt, Eminenz«, antwortete der Raufbold, wobei er es sich nicht nehmen ließ, Alanus einen letzten Tritt zu verpassen. »Was mich betrifft, stünde dem nichts im Wege.«
»Freut mich zu hören«, erwiderte Remigius aalglatt. »Je früher wir das leidige Prozedere beendet haben, desto besser.«
»Ganz Eurer Meinung, Herr.«
»Dann lass hören, was in der Köhlerhütte vorgefallen beziehungsweise dir bei dieser Gelegenheit zu Ohren gekommen ist.«
»Muss das wirklich sein?«, erwiderte Billung, sichtlich bemüht, den Schüchternen zu spielen. Dies gelang ihm mehr schlecht als recht, worauf Remigius der Geduldsfaden riss.
»Es muss!«, antwortete er barsch und flüchtete sich in beißende Ironie: »Ungeachtet, wie zart besaitet du bist.«
»Er hat sie beschlafen«, gab Billung postwendend zurück. »Wie der Bock die Ziege.«
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