Die Bräute des Satans
Oder Zufall, wie man’s nimmt. Eine Viertelstunde später, und ich hätte nichts mehr für Euch tun können.«
»Wohl wahr, wohl wahr.« Bruder Hilpert stützte sich auf die Pritsche und schlüpfte in seine Holzpantinen. Der Infirmarius quittierte es mit einem Stirnrunzeln, behielt seine Ratschläge hingegen für sich. »Wobei mich eines brennend interessiert.«
»Was denn, Bruder?« Baldauf grinste breit. »Falls es das ist, was ich vermute: Ja – ich habe ihn gesehen. Zwar nur kurz, doch lange genug, um mir sein Gesicht einzuprägen.«
»Meine Hochachtung, junger Freund. Mithilfe Eures Verstandes werdet Ihr es noch weit bringen.« Bruder Hilpert wollte sich erheben, wurde von Marsilius jedoch wieder auf die Pritsche gedrückt. »Und wie kam es dazu?«
»Ganz einfach: Er hätte mich beinahe über den Haufen gerannt.« Baldaufs Miene verhärtete sich. »Bei der Gelegenheit habe ich sein Gesicht gesehen.«
»Und wo?«
»Im Kreuzgang. Bruder Thaddäus meinte, Ihr steckt bestimmt in der Kirche. Deshalb habe ich dort nach Euch gesucht. Leider vergeblich. Und dann habe ich gedacht, Ihr könntet vielleicht im Skriptorium sein. Auf dem Weg dorthin hat dieser Bucklige meine Pfade gekreuzt. Das heißt, er hat mich zur Seite gestoßen und ist auf und davon. Als sei Luzifer persönlich hinter ihm her. Zu dumm, dass ich ihn nicht zu fassen gekriegt habe.«
»Grämt Euch nicht, mein Sohn. Das Wichtigste ist, dass wir diesen gedungenen Mordbuben identifiziert haben. Was bedeutet, dass es ihm demnächst an den Kragen gehen wird.«
»Gedungen – habe ich da gerade eben richtig gehört?«
»Habt Ihr, mein Sohn.«
»Soll das heißen, es handelt sich nicht um den Mörder?«
»Das genau ist die Frage, mein Sohn. Ein Problem, welches es umgehend zu lösen gilt. Viel Zeit bleibt uns ja wohl nicht mehr.« Bruder Hilpert richtete sich mühsam auf. »Doch nun zu Euch. Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
Ein schelmisches Lächeln trat auf Baldaufs Gesicht. »Kann man wohl sagen«, gestand er augenzwinkernd ein und platzte dabei fast vor Stolz. Dann griff er in die Tasche, die er bei sich trug, und zog ein in Schweinsleder gebundenes Buch hervor. »Das Fiskalbuch meines Onkels«, fügte er erklärend hinzu. »Er war halt ein ganz Penibler und hat jahrelang genauestens Buch geführt.«
»Über was denn?«
»Praktisch über alles, was mit seinem Amt als Zehntgraf zu tun hatte.« Baldauf schlug das Fiskalbuch auf und blätterte darin herum. »So zum Beispiel die Unkosten, die bei Gerichtsverhandlungen angefallen sind.«
»Unkosten?«
»Aber ja doch.« Baldauf blickte amüsiert auf. »Irgendwer muss ja wohl dafür aufkommen. Bei allem Respekt: Ein barmherziger Samariter war mein Oheim nicht. Schließlich musste er von etwas leben. Was zur Folge hatte, dass die Prozesskosten in der Regel von den jeweiligen Delinquenten beziehungsweise deren Hinterbliebenen eingetrieben worden sind.«
»Eine hübsche Einnahmequelle, könnte ich mir vorstellen.«
»Die üblichen Querelen wohl kaum. Gezänk unter Nachbarn, nicht eingehaltene Eheversprechen, Viehdiebstahl – mit so etwas kann man heutzutage nicht reich werden.«
»Sondern?«
»Mit Fällen, bei denen mehr auf dem Spiel steht als ein geklautes Huhn. Beispielsweise mit einer Anklage wegen Hexerei .«
»Und warum?«
»Weil der oder die Angeklagte, sollte sie den Prozess heil überstehen, kräftig zur Kasse gebeten wird.« Baldaufs Gesicht verfinsterte sich. »Bei schwerwiegenden Fällen kann das sogar bis zur Güterkonfiskation gehen. Kommt es zum Äußersten, das heißt zu einer Hinrichtung, kommt die Familie des oder der Verurteilten für die Kosten auf.«
»Und wer …?«
»Wer den Betroffenen am Ende die Rechnung präsentiert, wollt Ihr wissen?«
»Exakt.«
»Mein Oheim – wer sonst?«
»Bei allem Respekt«, ahmte Bruder Hilpert den Studiosus nach, »könnte es nicht sein, dass sich Euer Onkel mitunter an den Delinquenten schadlos gehalten hat?«
Baldauf gab ein verächtliches Lachen von sich. »Ich sag’s ja nicht gerne«, antwortete er und fuhr mit der Handfläche über das glatt rasierte Kinn, »doch genau das scheint bei meinem Oheim der Fall gewesen zu sein. Wenigstens weiß ich jetzt, wie der alte Geizkra … wie mein herzensguter Onkel zu seinem vielen Geld gekommen ist.«
Die Hand an einen Stützbalken gelehnt, verfiel Bruder Hilpert in tiefes Brüten. »Schön und gut«, zog er geraume Zeit später Bilanz, »doch was hat das Ganze mit den drei Morden zu
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