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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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schmächtige Jüngling vor dem Tor war ihm wohlbekannt. Er hieß Lutz, war Hirte auf dem Schafhof und so etwas wie ein Mädchen für alles. Auch ihm, Thaddäus, war er schon zur Hand gegangen, weshalb sich sein Zorn spürbar abzukühlen begann.
    »Bruder Thaddäus?«, fragte der Jüngling und riss vor lauter Ehrerbietung die Filzkappe vom Kopf.
    »Wer sonst?«, schnaubte der Pförtner, dermaßen überrascht, dass er sein schwäbisches Idiom vergaß. »Was gibt’s denn so Wichtiges, dass du mich mitten in der Nacht aus dem Bett …«
    »Bei allem Respekt, Bruder – etwas sehr Wichtiges «, gab der Jüngling postwendend zurück. »Sonst würde ich es nicht wagen, Euch zu behelligen.«
    »Und um was handelt es sich, Lutz?«
    »Bitte um Vergebung, Bruder: Das möchte ich dem Herrn Bibliothekarius lieber unter vier Augen sagen.«
    »Bruder Hilpert?«
    Der Schafhirte sah verschämt zu Boden. »So ist es.«
    »Ja, jetzt leck … äh … ja, was glaubst du denn überhaupt, wer du bist, mein Sohn? Einfach so mir nichts, dir nichts hier aufzukreuzen und sich einzubilden, Bruder Hilpert hätte Zeit für dich! Sag mal, Lutz, das meinst du doch wohl nicht ernst.«
    »Ernst? Ernster geht’s gar nicht.«
    Die Laterne auf Augenhöhe, runzelte Bruder Thaddäus die Stirn. Um ein Haar wäre der Choleriker in ihm erneut zum Vorschein gekommen, aber da er Lutz mochte, rang er ihn erfolgreich nieder. »Und was soll das heißen?«, fragte er, auf dem besten Wege, Mitgefühl zu zeigen.
    »Das bedeutet, dass ich ihn dringend sprechen muss, Bruder«, beharrte der Schafhirte, vor Nervosität leichenblass. »Sonst ist es am Ende noch zu spät.«
    »Du sprichst in Rätseln, Lutz«, erwiderte der Pförtner, bei dem der Junge einen höchst zwiespältigen Eindruck hinterließ. Da war etwas an ihm, das ihn davon abhielt, das Schiebefenster einfach wieder zu schließen, und da war sein Sinn für Anstand und Manieren. Bruder Hilpert sprechen – und das ausgerechnet während der Vigilien. Das konnte ja nicht mit rechten Dingen zugehen. »Sag mir, was du willst, und ich werde sehen, was sich machen lässt.«
    »Ich will … ich will …«, druckste der Schafhirte herum, während die Filzmütze in seinen Händen um die Hälfte geschrumpft zu sein schien, »ich will Bruder Hilpert sagen, wer die Els auf dem Gewissen hat.«
    »Du willst was?«, rief Bruder Thaddäus ohne Rücksicht auf die klösterliche Nachtruhe aus. »Sag das noch mal.«
    »Bruder Hilpert ein wenig auf die Sprünge helfen, ganz recht«, erläuterte der Jüngling pikiert, während der Pförtner den Schlüssel für die Nachtpforte bereits in Händen hielt. »Damit das endlich aufhört mit der Metzelei.«

Zur gleichen Zeit
     
    [Skriptorium, 1:30 h]
     
     
    Worin Bruder Hilpert dem Ziel, seinem Widersacher das Handwerk zu legen, erneut ein gewaltiges Stück näher kommt.
     
    Es geschah auf dem Weg zur Kirche , keine drei Schritte von der Mönchspforte entfernt. Weshalb er sich umdrehte, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Doch dann, ohne sein Zutun, schärfte sich sein Blick, durchbrach die Dunkelheit und blieb am anderen Ende des Kreuzganges haften. Der Bibliothekarius zögerte. Durch die Mönchspforte war der Klang der Orgel zu hören, und wenn er nicht zu spät kommen wollte, musste er sich sputen.
    Doch das war leichter gesagt als getan. Auf seinen Instinkt hatte sich Bruder Hilpert stets verlassen können, fast so sehr wie auf seinen Verstand. Und so zögerte der Bibliothekarius keine Sekunde, schloss die Pforte und bewegte sich auf leisen Sohlen den Kreuzgang entlang. Je näher er seinem Ziel kam, umso heftiger klopfte sein Herz, und als er den Kapitelsaal hinter sich gelassen hatte, war seine Befürchtung Wirklichkeit geworden.
    Starr vor Entsetzen, blieb Bruder Hilpert stehen. Am Gerüst, hinter dem sich die Konturen des halb fertigen Fensters abzeichneten, hing ein Leichnam und schwang kaum merklich hin und her. Der Bibliothekarius erschauderte. Um wen es sich handelte, war nicht zu erkennen, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn aus der Nähe zu betrachten.
    Wie kaum anders zu erwarten, war es einer der Chorbrüder, welcher von ihnen, wurde bei genauerem Hinsehen klar. Bruder Hilpert seufzte aus tiefster Seele. Er hatte sich ohnehin so etwas gedacht, wenngleich er es nicht hatte wahrhaben wollen.
    Bruder Oswin, der Elemosinarius. Der Mann, der ihm nach dem Leben getrachtet hatte.
    »Vater, vergib Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«, murmelte Bruder

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