Die Bräute des Satans
aus, als er Bruder Hilpert ansichtig wurde. »Ich glaube, das Rätsel ist …«
Weiter kam Bruder Thaddäus nicht, und als er den Toten bemerkte, schlug er entsetzt die Hand vor den Mund. »Sieht … sieht so aus, als hätte er die gerechte Strafe bekommen«, stammelte er, nachdem sein Blick zwischen dem Rubrikator und Bruder Hilpert hin- und hergewandert war.
»Kommt drauf an, von welcher Seite aus man den Kasus betrachtet«, ließ Bruder Hilperts Antwort nicht lange auf sich warten. »Gleichwohl, jetzt liegt alles in Gottes Hand. Wie heißt es doch gleich: Mea est …«
»… ultio!«, vollendete der Pförtner zum allgemeinen Erstaunen. »Mag Gott der Herr verfahren, wie es Ihm beliebt.«
»Amen!«, vollendete der Bibliothekarius mit Nachdruck und winkte Bruder Thaddäus zu sich heran. »Und nun zu Euch, Bruder – was gibt es zu berichten?«
Zweiter Tag
(Montag, 15. November 1417)
Vor den Laudes
[07:00 h]
Worin Mechthild große Pein zu erdulden hat und Alanus zu einem unverzichtbaren Helfer wird.
Als sie noch jünger war , etwa zwölf, hatte sie sich gefragt, ob es den Teufel überhaupt gäbe. Jetzt, mit sechzehn, hatte sie die Antwort bekommen. Es gab ihn, und er trug den Namen Remigius.
Dabei hatte der Großinquisitor weder geschrien noch gedroht oder sie gar misshandelt. Nein, das hatte er nicht. Die sonore, weiche und bisweilen sogar einschmeichelnde Stimme war während der stundenlangen Verhöre stets die gleiche geblieben. Und der, zu dem sie gehörte, ein Ausbund an Höflichkeit. Kein Zweifel, der Großinquisitor war ein Mann von Welt.
Oder tat zumindest so.
Denn da waren zum einen diese Augen, starr wie die einer Schlange. Und dann war da diese Art, ihr Dinge in den Mund zu legen. Dinge, die sie weder gesagt oder von denen sie noch nie im Leben etwas gehört hatte. Teufelsbuhlschaft, Pakt mit dem Leibhaftigen und Schadenzauber. Als ob sie, als ob überhaupt ein Mensch zu so etwas in der Lage wäre. Mechthild ächzte gequält. Und dann erst die Geschichte mit dem Nachtfrost: Mumpitz, wie er im Buche stand.
Bis weit nach Mitternacht hatte ihr dieser Satan im Mönchshabit zugesetzt, bis zu dem Punkt, an dem sie beinahe den Verstand verloren hätte. Dann, auf einmal, war es vorbei gewesen. Allem Anschein nach hatte der Großinquisitor genug gehabt. Fürs Erste jedenfalls. Denn dass die Sache noch keineswegs ausgestanden war, darüber gab sich Mechthild keinerlei Illusionen hin.
Luzifer würde zurückkehren. Listiger, hinterhältiger und gemeiner denn je.
Zitternd vor Kälte, richtete sich das Mädchen langsam auf. Die Nacht über hatte sie kaum ein Auge zugetan, und wenn, war sie von Albträumen gepeinigt worden. Was der nächste Tag bringen würde, wusste sie nicht, und mitunter beschlich sie der Gedanke, es könnte ihr letzter sein.
Es stand nicht gut um sie, und sie wusste es.
»Gelang es dir, etwas Schlaf zu finden?« Den Rücken gegen die feuchte Kellerwand gelehnt, huschte ein Lächeln über Mechthilds Gesicht. Alanus war wirklich ein Schatz. Etwas ganz Besonderes. Obwohl ihm sämtliche Knochen wehtaten, hatte er sich ihrer angenommen, sie getröstet, ihr Mut zugesprochen. Das machte ihm so schnell keiner nach.
»Schlecht und recht«, antwortete Mechthild und rieb ihr Handgelenk oberhalb ihrer Fesseln, das sich vollkommen taub anfühlte. »Und du?«
»Könnte nicht besser sein«, antwortete der Novize, eine Untertreibung sondergleichen. Um ihn an der Flucht zu hindern, hatte man ihn in den Stock geschlossen, und seine Füße, welche ein rostiges Paar Bandeisen umschloss, waren mit Wunden übersät. »Bin gespannt, was die da droben mit uns vorhaben.«
»Ich auch.« Mechthild schloss die Augen und bewegte den Kopf kreisförmig hin und her. »Viel Gutes haben wir wahrscheinlich nicht zu erwarten.«
»Na, wenn schon«, murmelte Alanus und wandte sich ihr zu. »Wenn wir zusammenhalten, wird uns dieser Baltazzi nichts anhaben können. An uns beiden werden sie sich die Zähne ausbeißen, das schwöre ich dir.« Alanus machte ein grimmiges Gesicht, verscheuchte eine Ratte und rutschte auf dem Hosenboden an den Wassernapf heran. Der Geruch nach faulem Stroh, Blut und den Exkrementen der Nager war schier unerträglich, doch daran hatte er sich gewöhnt. »Zu dumm, dass wir uns erst gestern begegnet sind.«
Mechthild errötete, froh, dass man hier drunten so gut wie nichts sah. »Das stimmt«, gab sie zu, und schon war ihre Angst nur noch halb so groß. Kein Zweifel, mit
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