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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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unter meinem Schreibtisch verschwinde. Gerade rechtzeitig, um von Bruder Oswin nicht entdeckt zu werden.«
    »Wie – Ihr habt ihn gesehen?«
    »Das schon, aber er mich nicht«, gab der Rubrikator postwendend zurück. »Eben noch mal Glück gehabt.«
    »Glück? Wieso denn?«
    »Wieso? Weil er sich sonst aus dem Staub gemacht hätte, denke ich.«
    »Heißt das, er war nach irgendetwas auf der Suche?«
    »Nein. Er schien mir darauf bedacht, keinen Lärm zu machen«, antwortete der Rubrikator. »Herumgeschnüffelt hat er nicht.«
    »Sondern?«
    »Er hat es eilig gehabt, ver … äh … furchtbar eilig sogar. Um nur ja nicht entdeckt zu werden, hatte ich das Gefühl.« Ein Lächeln auf den Lippen, zog der Rubrikator eine versiegelte Schriftrolle hervor und drückte sie Bruder Hilpert in die Hand. »Und wisst Ihr auch, wieso?«
    »Nein«, antwortete der Bibliothekarius, der sich aus alldem keinen Reim machen konnte.
    Das Lächeln des Rubrikators wurde immer breiter. Doch dann, von einem Moment auf den anderen, war es wieder verschwunden. »Weil es sich dieser arme Teufel da droben – Gott möge seiner Seele gnädig sein! – offenbar in den Kopf gesetzt hatte, Euch einen Abschiedsbrief zu hinterlassen.«
    »Abschiedsbrief?«, rief Bruder Hilpert aus, erbrach das Siegel und begann zu lesen.
    »Selbstverständlich«, antwortete der Rubrikator, wandte sich ab und machte Anstalten, auf das Gerüst zu klettern. »Welchen Grund hätte er denn sonst haben sollen, ihn auf Eurem Pult zu deponieren?«
     
    *
     
    Nach beendeter Lektüre ließ Bruder Hilpert die Schriftrolle sinken und starrte in den Kreuzgarten hinaus. Ein kalter Luftzug wehte ihm ins Gesicht, und er konnte sich eines Fröstelns nicht erwehren.
    »So, jeschafft.«
    Die Stimme des Rubrikators, aus der ein gerüttelt Maß an Erleichterung sprach, holte ihn allerdings wieder in die Gegenwart zurück. Er war froh, dass sich sein Gehilfe um den Leichnam gekümmert hatte, dementsprechend dankbar sein Blick.
    »Der Herr möge sich seiner annehmen«, flüsterte der Bibliothekarius, kniete nieder und schloss die Augen des Elemosinarius. »Und ihm die Schuld, die er auf sich geladen hat, verzeihen.«
    »Soll das heißen, er ist der Mörder?«, hakte der Rubrikator nach, bei dem Bruder Hilperts Bemerkung beträchtliche Konfusion erzeugt hatte. »Falls dem so ist, denke ich, kann Gottes Strafgericht ja wohl nicht …«
    »… erbarmungslos genug ausfallen, meint Ihr?«, vollendete Bruder Hilpert betrübt. Die Ränder unter seinen Augen waren nicht zu übersehen, und eine bleierne Müdigkeit legte sich über seine Sinne. »Ich fürchte, dass diesbezüglich das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.«
    Der Rubrikator setzte zu einer Erwiderung an, ließ jedoch von seinem Vorhaben ab. »Nun ja«, knurrte er in missbilligendem Ton. »Da Ihr offenbar besser Bescheid wisst als ich, werdet Ihr gewiss Gründe für Eure Nachsicht haben.«
    »Die habe ich, Bruder«, sprach Hilpert von Maulbronn mit gedämpfter Stimme, während er die Schriftrolle unter seinem Habit verschwinden ließ. »Die habe ich.«
    Klug genug, um es damit bewenden zu lassen, nahm der Rubrikator seine Laterne zur Hand und sah den Bibliothekarius fragend an. »Und was jetzt?«, erkundigte er sich in beiläufigem Ton.
    »Jetzt, Bruder, werdet Ihr dafür Sorge tragen, dass Bruder Oswins Leichnam an einem Ort deponiert wird, wo man ihn nicht findet. Und zwar so lange, bis Ihr von mir weitere Instruktionen bekommt.«
    »Heißt das, ich soll ihn verstecken?«
    »So könnte man es nennen, Bruder«, gab der Bibliothekarius zurück, wobei sich sein Ton spürbar verschärfte. »Ach ja – noch etwas: Zu niemandem ein Wort, ist das klar? Ich hoffe, ich kann mich auf Euch verlassen.«
    Der Rubrikator schien unschlüssig, willigte aber schließlich ein. »Könnt Ihr, Bruder«, sagte er und fuhr nach kurzem Zögern fort: »Und wo soll ich ihn …«
    Es war das Klappern von Holzpantinen, welches dafür sorgte, dass der Rubrikator seine Frage für sich behielt und Bruder Hilpert achselzuckend ansah. Dieser wiederum schien nicht im Mindesten überrascht, merkte er doch schon am Gang, wer gleich um die Ecke biegen würde. Wenn er jemanden mit verbundenen Augen erkannte, dann Bruder Thaddäus, Pförtner und Unglücksbote zugleich.
    Eine Befürchtung, die sich dagegen nicht bewahrheiten sollte. Denn kaum war das Unikum aufgetaucht, wurde klar, dass er gute Kunde brachte. »Jauchzet Gott, alle Lande!« [44] , rief er freudestrahlend

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