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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verschnitten.«
    Harriet kniete neben Heidi Pachtner und stach den Rock ab. Ihr schwarzer Kopf hob sich dunkel von dem hellen Stoff ab. Wie ein großer, brauner Kaffeefleck.
    »Ich wollte das Kostüm eigentlich für eine Reise nach London haben. Zu meinem Bräutigam.« Heidi ordnete ihre Haare. »Ich wollte ihn überraschen. In ein paar Monaten werden wir heiraten.«
    »Ich gratuliere«, sagte Harriet.
    »Danke. Übrigens … Sie müssen meinen Verlobten kennen … von Ihrer Mutter her … Bert Schumacher.«
    Es war heraus. Es klang wie eine Kampfansage, wie ein Schlag in den gebeugten Nacken der vor ihr knienden Harriet. So plötzlich kam dieser Überfall, daß Harriet wild zusammenzuckte und die Nadel, mit der sie die Rocklänge absteckte, ausrutschte.
    Heidi Pachtner machte einen Satz zur Seite.
    »Sie haben mich gestochen!« schrie sie grell. »Sie haben mich extra gestochen, Sie schwarze Kröte!« Sie riß Harriet, die noch immer vor dem Spiegel kniete, zusammengekauert, gelähmt von dem Schlag in ihr Herz, an den Haaren hoch und ließ ihre Hand in das kleine, braune Gesicht klatschen. »Das gebührt dir!« schrie Heidi, und der Triumph, die Stärkere zu sein, jagte Freudenschauer über ihren Körper. »Du schwarzes Biest! Du Bastard! Du Nigger!«
    Sie stieß Harriet weg gegen den Tisch und rannte aus der Wohnung. Im Treppenhaus hatte sie Mühe, nicht zu jubeln und vor Freude zu schreien. Sie rannte die Treppen hinunter, stürzte zu ihrem offenen Sportwagen und fuhr mit lauter Radiomusik davon.
    Harriet-Rose blieb an den Tisch gelehnt stehen. Wie versteinert sah sie auf ihr Spiegelbild. Ein braunes Mädchen mit zerwühlten Haaren und großen, starren, traurigen Augen.
    Sie schob alle Stoffe und Entwürfe fort, packte das Kleid Heidis in einen Karton, verschnürte ihn und schrieb die Adresse darauf. Sie dachte nur: Wie muß sie mich hassen. In dem halbfertigen Kostüm ist sie weggerannt. Sie hat es gar nicht gemerkt.
    Dann setzte sie sich hin und schrieb einen Brief. Ganz plötzlich war ihr der Gedanke gekommen. Als Heidi Pachtner sie emporriß, hatte sie einen Augenblick die Empfindung gehabt, Papa rufen zu müssen. Nicht Mutti … sie war jetzt auch zu schwach, ihr zu helfen. Nein … es drängte aus ihr hinaus, in dieser höchsten Not, die sie bisher durchstanden hatte, nach dem Vater zu rufen. Nach dem großen, starken dunklen Daddy, der sie allein noch beschützen konnte vor dieser Woge von Weiß, die sie erdrückte.
    Sie schrieb in schöner, großer Schrift. Sie malte die Buchstaben gewissermaßen. An Mister Harry Bob Shirer, früher Sergeant der US-Armee, davor Landesmeister im Halbschwergewichtsboxen. Alabama – USA.
    Das war die Adresse. Harriet las sie noch einmal. Man wird ihn finden, dachte sie. Man wird ihn sicher finden.
    Und weiter schrieb sie:
    »Lieber Vater!
    Du mußt nach Europa kommen. Sofort. Ich bin Harriet-Rose, Deine Tochter. Ich wohne mit Mutti zusammen in Heidelberg, Fortbachstraße 11. Kennst Du Mutti noch? Sie hieß Marianne Achenberg. Heute heißt sie Koeberle. Ihr Mann hat sich wieder scheiden lassen, Deinetwegen, und weil ich auf der Welt bin. Diese Welt um mich herum ist furchtbar. Darum komm, bitte … Mutti weiß nichts von diesem Brief.
    Deine Tochter Harriet-Rose«.
    Sie schloß das Kuvert und versteckte den Brief unter ihrer Wäsche im Schrank. Für die Post war es zu spät. Auch mußte Marianne jeden Augenblick kommen. Morgen wollte sie ihn zur Post bringen. Mit der Luftpost sollte er hinüber nach Alabama fliegen.
    *
    Die Kommunalwahlen waren vorbei. Der Helfer in Steuersachen und Schatzmeister der Partei Eduard Koeberle hatte es geschafft. Er zog in den Stadtrat von Würzburg ein. Der Posten des Landesfinanzministers war ihm zugeflüstert worden, zumindest aber die Stellung eines Staatssekretärs. Er hatte nach der Wahl ein opulentes Essen für alle Parteifreunde gegeben und seine kommunalen Ideen verkündet, die er als Stadtrat durchsetzen wollte.
    »Ich werde eintreten für die Völkerfreundschaft!« rief er, und sein Enthusiasmus riß ihn selbst mit in das Gefilde schwelgerischer Wonnen. »Gerade heute, bei der Bedrohung aus dem Osten, ist es wichtiger denn je, den aufstrebenden Völkern die Hand zu reichen und sie in die große menschliche Gemeinschaft einzuführen. Schon in der Kommunalpolitik fängt das an. Wir sollten von Stadt zu Stadt Brücken schlagen … München zu Akra, Nürnberg zu Timbuktu, Würzburg zu Ober-Volta. Ein Baum wächst nicht aus einem großen

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