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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stamm, sondern aus einem kleinen Setzling. Seien wir die Sämänner des Friedens und der Freundschaft.«
    Es war eine blendende Rede. Eduard Koeberle erwies sich als ein gutes Pferd im Parteistall. Er berechtigte zu großen Hoffnungen, sein Idealismus würde einmal große Lücken in das materialistische Denken schlagen.
    Mit Stolz übernahm er deshalb auch als erste Amtstat als Stadtrat die Aufgabe, eine Delegation aus den USA zu empfangen.
    Es ging um eine Ausstellung in Würzburg, die sich mit den Fortschritten der modernen Ernährung befaßte. Experten aus allen Ländern kamen, die neuesten Erkenntnisse durchzusprechen und einen gemeinsamen Markt zu erschließen. Aus den USA kam eine Erfindung, die Eduard Koeberle als sehr bahnbrechend betrachtete, vor allem für die Kantinen und die Universitätsmensa: Das fertig vorgekochte oder vorgebratene Mittagessen auf einem Plastikteller, das mit einer Folie überzogen und tiefgefroren wurde. Man brauchte die fertigen Menüs nur aufzutauen und wieder zu erhitzen und hatte ein frisches, appetitliches Essen zur Hand. Diese Neuerung vertrat eine Gruppe amerikanischer Gastronomen, die mit einer Sondermaschine nach Würzburg flog.
    Stadtrat Koeberle empfing sie in der Feierlichkeit moderner Politiker: Dunkler Anzug, dunkler Mantel, schwarzer Homburg. Er machte eine gute Erscheinung, als er im abflauenden Gebläse der auslaufenden Propeller über das Flugfeld ging und im Namen der Stadt die US-Delegation begrüßte.
    Als erster schritt über die Gangway ein riesiger, breitschultriger, freundlich grinsender und um sich winkender Neger.
    Stadtrat Koeberle zog den schwarzen Hut und eilte ihm mit sonnigem Lächeln entgegen.
    »Welcome!« rief er. »Es ist uns eine Ehre.«
    »Gutten Tagg«, sagte Harry Bob Shirer freundlich und gab Eduard Koeberle die riesige schwarze Hand.
    Und Stadtrat Koeberle schüttelte sie herzlich und war beglückt, daß diese Szene von Fernsehen und Wochenschau festgehalten wurde.

5.
    Nach der Begrüßung, die Koeberle etwas hinauszögerte, weil einige Fotoleute noch Bilder aus verschiedenen Positionen schießen wollten, fuhr die lange Kolonne der schwarzen Wagen hinaus zum Ausstellungsgelände.
    Harry Bob Shirer sah interessiert auf die an ihm vorbeigleitende Stadt. Der Main, die alte Mainbrücke mit den schönen steinernen Heiligenfiguren, das bischöfliche Schloß, der Dom, gegenüber die grünen Weinberge, auf denen der nach Stein schmeckende Bocksbeutelwein wuchs … Shirer lehnte sich zurück und seufzte leise. Erinnerungen überfielen ihn. Vor sechzehn Jahren war er schon einmal über diese alte Brücke gefahren. In einem olivgrünen Jeep, den Stahlhelm in den Nacken geschoben, durch eine Stadt voller Trümmer und Ruinen, in denen die Menschen hockten und mit Hämmern die Ziegel abklopften, um sich Keller oder Hütten auszubauen.
    Vor sechzehn Jahren hatte er hier in Würzburg vom Hauptmagazin Ware für seine Truppe in Bamberg geholt. Pakete mit Nescafé, gepreßten Tee, Fruchtstangen, Kekse, Eier mit Speck, Marmelade, Schinken. Und da war in Bamberg ein zartes, schönes, blondes Mädchen gewesen. Er wußte ihren Namen nicht mehr. Er erinnerte sich nur daran, daß sie immer ängstlich war, daß sie in sich zusammenkroch wie eine Schnecke, wenn er sie berührte, und daß sie seinen Liedern lauschte, die er abends auf der Waschkellertreppe sang. Anne hieß sie, oder so ähnlich … und sie hatte geweint, als er sie eines Abends, mutig durch ein paar Whisky, in einer Gartenecke liebte und zum erstenmal einen weißen Körper in seinen muskelstarken Armen hielt. Bei Gott, hatte er hinterher gedacht. In Alabama hätte man mich dafür gelyncht. Wie einen tollen Hund hätten sie mich erschlagen! Aber hier kann man es, hier ist man ein Sieger, hier ist man ein schwarzer Herr. Wie verrückt und völlig sinnlos doch diese Welt ist –
    Stadtrat Koeberle räusperte sich. Sein stiller, nach draußen stierender Gast aus den USA wollte unterhalten werden. Das war nicht einfach bei dem mangelhaften Englisch, das Koeberle sprach. Auch hatte man wenig Anknüpfungspunkte. Mit Phrasen wie ›Hatten Sie einen guten Flug?‹ oder ›Ist es in Amerika jetzt auch so heiß wie hier?‹ wollte Koeberle nicht anfangen.
    Shirer erlöste ihn aus einer Art Gedankenakrobatik, die Koeberle schlug, um ein Gespräch voller Geist zusammenzustellen.
    »Schönne Stadtt«, sagte Shirer.
    »Sehr schön. Ich liebe Würzburg.«
    »Und so wiederr aufgebaut! Kein Trümerr mehrr. Alles

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