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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Koffer auf, trat aus dem Vorgarten hinaus auf den Weg, stellte die Koffer wieder ab und setzte sich auf den größeren. Marianne beobachtete ihn hinter der Gardine. Er saß da, den Kopf in beide Hände gestützt, und starrte auf die Straße. Marianne wußte, was er vorhatte. In zwei Stunden kam Harriet nach Hause. Dann würde es vor dem Haus zu einer Entscheidung kommen, die nicht stattfinden durfte.
    Sie öffnete die Tür wieder und trat an den Zaun des Vorgartens.
    »Bitte, Bert. Gehen Sie. Ich flehe Sie an. Was wollen Sie überhaupt von ihr? Nach Ihrer Verlobung –«
    »Das ist vorbei.«
    »Trotzdem. Wir haben endlich Frieden –«
    »Ich liebe Harriet.«
    »Aber sie haßt Sie.«
    »Das glaube ich nicht. Das soll sie mir selbst sagen.«
    »Ich werde die Polizei rufen.«
    »Ich sitze auf einem öffentlichen Weg.«
    »Ich kann nachweisen, daß Sie uns bedrohen.«
    »Ist Liebe eine Bedrohung?«
    »In diesem Falle ja. Sie ist tödlich.« Marianne umklammerte den weißen Holzzaun. »Sie ist Mord!« schrie sie.
    »Es hat sich doch nichts geändert, Marianne.« Das blasse Gesicht Berts war eine einzige Bitte, ihn anzuhören. »Oder doch, ja … es hat sich vieles, alles geändert. Die Fabrik ist gerettet. Ich habe in den wenigen Tagen, als es hieß, ich würde der Schwiegersohn Pachtners, neue Verträge abschließen können. Pachtner mag die Lieferungen sperren … die anderen Firmen können es nicht, oder sie zahlen so viel Konventionalstrafe, daß wir ruhig teuere Furniere kaufen können. Nach der Unterschrift des letzten Vertrages habe ich meine Koffer gepackt und bin zurückgekommen.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Er ist mit allem einverstanden. Er läßt Sie und Harriet grüßen. Er will morgen vorbeikommen, um alles durchzusprechen.«
    »Was durchzusprechen?«
    »Unsere Heirat. Ich werde Harriet heiraten. Noch vor Weihnachten.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Sie ist zufrieden, daß die Fabrik gerettet ist und sie sich weiter pflegen kann. Wir werden sie im Winter nach Florida schicken. Davon träumt sie schon immer.« Bert Schumacher erhob sich von seinem Koffer. »Darf ich jetzt hereinkommen, Marianne?«
    »Nein.« – »Ich schwöre Ihnen –«
    »Ich will keine Schwüre, wir wollen Ruhe. Ruhe! Vor allen Schumachers, vor allen Pachtners, vor allen Menschen.« Marianne schrie es ihm ins Gesicht. »Wir gehören nicht mehr zu Ihnen. Wir sind abgestempelt: Das Negerliebchen und der Negerbastard. Aber wir tragen diesen Stempel mit Stolz. Schon einmal hat man in Deutschland ein Abzeichen tragen müssen … damals war es ein gelber Stern auf der linken Brust, und jeder, der diesem Abzeichen begegnete, konnte den Träger anspucken, treten, schlagen, morden … es war keiner da, der ihn zur Rechenschaft zog. Das alles will man heute vergessen, soll einfach nicht gewesen sein, wird bagatellisiert … aber man schafft sich Ersatz und stempelt weiter die Menschen ab, dort, wo es heute wieder nicht strafbar ist und die Masse des Volkes wie damals Beifall klatscht.«
    »Mein Gott, was reden Sie da«, stammelte Bert Schumacher. »Das ist doch nicht wahr. Das ist nicht wahr.«
    »Ich werde Harriet entgegengehen, damit sie Sie nicht trifft.«
    »Ich werde Ihnen folgen wie ein Schatten. Sie können mich nicht abschütteln.«
    »Wollen Sie unseren Untergang?« sagte Marianne leise.
    »Ich weiß, daß mich Harriet liebt, und ich weiß, daß jetzt alles gut wird.«
    Marianne schwieg. Es war sinnlos, gegen Bert Schumacher mit Argumenten oder Bitten anzurennen. Sie lief ins Haus zurück, zog den Mantel an und rannte an Bert vorbei auf die Straße und die Straße entlang in Richtung Heidelberg. Den Bus werde ich anhalten, dachte sie. Ja, das werde ich. Ich werde mitten auf der Straße stehen und winken und ihn zwingen, anzuhalten. Und dann werde ich Harriet aus dem Bus holen und mit ihr weggehen, irgendwohin.
    Sie rannte und rannte, mit fliegenden Haaren und flatterndem offenem Mantel, mit Keuchen und stammelnden Selbstgesprächen. Nach einigen hundert Metern blieb sie stehen und blickte sich um. Bert Schumacher war ihr nicht gefolgt. Das machte sie ruhiger. Sie sah auf die Armbanduhr , lehnte sich an die Ecke einer Weingartenmauer und wartete auf den Bus aus Heidelberg.
    Von weitem hörte sie ihn schon rumpeln und knattern. Es war ein altes Fahrzeug, das man für diese abgelegene Route einsetzte, ein ausgedientes Vehikel, das nur noch viermal am Tag über die schlechte Straße keuchte.
    Der Fahrer trat auf die kreischende Bremse, als er die

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