Die Braut aus den Highlands
taten. Bedauern tat sie die Krieger dennoch einen Augenblick lang. Die Reisegruppe der Stewarts war auf dem Weg von Schottland nach England zweimal in den Regen geraten, doch jeder hatte sein eingefettetes Plaid gehabt und sich darin eingewickelt, um die Witterung abzuwehren. Die Engländer besaÃen keine solchen Decken. Glücklicherweise regnete es nie besonders stark oder lange in England â wahrscheinlich regnete es deshalb so häufig . Das Wetter würde bald umschlagen, und dann würden die Krieger es nur noch mit der Feuchtigkeit aufnehmen müssen, die der Regen zurücklieà und der man hier einfach nie entkam.
âIhr seht hinreiÃend aus im Kerzenschein.â
Die Worte kamen von ihrem Gemahl, und Merry sah überrascht auf. Sie befanden sich im Zelt, und vor ihnen waren Speisen ausgebreitet. Dem Regen zum Trotz hatten die Kämpfer es fertig gebracht, Wild zu erlegen, und kaum dass der Regen aufhörte, hatten sie ein Feuer entzündet und das Fleisch gebraten. Als Merry sich zu ihnen gesellte, um an ihrem Mahl teilzuhaben, wandte Alex ein, dass es jederzeit wieder regnen könne, und vorgeschlagen, im Zelt zu speisen. Sie hatte sofort eingewilligt. Nun saÃen sie auf einem Fell neben ihrem ebenfalls aus Fellen bestehenden Lager, zwischen sich das geröstete Wild sowie Käse, Brot und Wein.
âDankeâ, murmelte Merry und betrachtete, wie Schatten und Licht über sein Gesicht flackerten. Kerzenlicht war nichts Ungewöhnliches auf der Burg, doch gemeinhin gab es auch noch ein Feuer und Fackeln, um die Dunkelheit zu vertreiben. Hier aber brannten nur die beiden kleinen Kerzen auf der Truhe neben ihnen, um die Finsternis zu bezwingen. Nun rang die Schwärze mit dem Licht und drohte sie zu überwältigen. Der Flammenschein machte Alexâ Züge weich und überzog alles mit einem besonderen Glanz. Zu gerne hätte Merry ihren Gemahl in diesem Schimmer nackt gesehen und betrachtet, wie er auf seiner Haut tanzte, doch trotz seines vorhin gegebenen Versprechens war dies wenig wahrscheinlich. Nach den Verletzungen, die er sich gestern Abend zugezogen hatte, würde ihm noch immer alles wehtun. Sicherlich wollte er sich zunächst erholen, ehe er sich wieder in etwas derart Kräftezehrendem erging, wie es ihr gerade vorschwebte.
âWas schaut Ihr so verdrossen?â
Merry sah ihren Gemahl schuldbewusst an, gab aber nicht preis, in welche Richtung ihre schamlosen Gedanken gewandert waren. âIch habe über Euren Unfall gestern nachgedachtâ, antwortete sie stattdessen.
Daraufhin verfinsterte sich auch Alexâ Miene, sodass sie rasch hinzufügte: âIch hatte noch gar nicht die Gelegenheit, Euch zu fragen, was eigentlich vorgefallen ist.â
âHm.â Er starrte düster auf die Speisen, und sie sah, wie er kurz die Lippen verzog, ehe er mit den Schultern zuckte und einen Schluck Wein nahm. âEin Felsbrocken ist von den Klippen gestürztâ, murmelte er. âZum Glück habe ich ein Knirschen gehört und aufgeschaut, sodass ich ihn rechtzeitig gesehen habe. Als ich versuchte, ihm auszuweichen, hat er mich an der Schulter erwischt und zu Boden gerissen. Bei dem Sturz habe ich mir an irgendetwas den Kopf angeschlagen und bin ohnmächtig geworden.â
Merry betrachtete ihn schweigend und kaute gedankenverloren auf ihrer Lippe. In ihrer Erinnerung sah sie das hohe Gras und die Büsche oberhalb der Felswand, die sich sachte bewegten, als wäre gerade jemand hindurchgeschlüpft. Etwas in Alexâ Stimme sagte ihr, dass auch er nicht so recht an einen Unfall glaubte. Sie überlegte noch, wie sie ihn danach fragen sollte oder ob überhaupt, als er unvermittelt sagte: âEsst.â
Sie zögerte, lieà die Sache mit dem âUnfallâ aber für den Moment ruhen. Sie hatte das Gefühl, dass dies etwas war, über das er nicht reden wollte, und was würde es schon nützen? Wenn der Stein hinuntergestoÃen worden war, blieb immer noch die Frage, weshalb und von wem. Vermutlich von einem vorbeiziehenden Banditen, der darauf gehofft hatte, Alex durch den Stein besinnungslos zu schlagen und auszurauben. Wenn dies stimmte, so musste Merry zurückgekehrt sein, ehe der Schurke mehr tun konnte, als Alex wehrlos zu machen. Das hieÃe, dass sie den Zeitpunkt ihrer Rückkehr glücklich gewählt hatte und ihre bloÃe Gegenwart genügt zu haben schien, den Unhold zu vertreiben.
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