Die Braut des Cowboys
er den Eindruck, dass sie längst auf war. Die Tür zum Gästezimmer stand weit offen. Im Vorbeigehen warf er einen Blick hinein. Decken und der hellblaue Quilt lagen zerwühlt auf dem Bett, sprachen eine deutliche Sprache. Entweder hatte sie sehr unruhig geschlafen, oder gar nicht, so wie er. Sie musste dieselben Geräusche wie er gehört haben, und war nach unten gegangen, um nachzusehen.
"Walt?" rief er, als er die Treppe hinunterging. Doch es kam keine Antwort, und er nahm die letzten Stufen in langen Sätzen.
Er erreichte das Wohnzimmer und wäre mit den Socken fast auf dem Holzfußboden ausgerutscht. Dann blieb er wie angewurzelt stehen, starrte auf die Haustür. Sie stand sperrangelweit offen.
Das kann nicht Walt sein, fuhr es ihm durch den Kopf. Walt würde im Winter niemals die Tür einfach offenlassen, so dass die Wärme nach draußen entwich. Nicht wenn es so schneite wie jetzt.
"Mercy?" rief er hinaus. Immer noch keine Antwort. Sowohl verärgert als auch verwundert, betrat er die Küche nebenan. Der Raum war dunkel und ruhig. Er drehte sich wieder um, ging zurück zur Haustür, legte auf dem Weg dorthin ein dickes Holzscheit aufs Feuer. Er wusste, der Wind konnte die Haustür nicht aufgerissen haben, da er sie verschlossen hatte, und auch Mercy wäre nicht so achtlos gewesen - Stadtmädchen oder nicht. Sie könnte vielleicht...
Die Hand noch am Türgriff, bemerkte er die Fußspuren draußen in der dünnen Schneeschicht, die der Wind auf die Veranda geweht hatte. Schmale, zierliche Spuren, nicht seine Größe, und auch nicht die von Walt.
Was, zum Teufel, war hier los?
Er fuhr in die Stiefel, griff nach seiner dicken Jacke an der Garderobe und nahm die Taschenlampe vom Regal. Er schloss die Tür fest hinter sich und folgte den Spuren mit den Augen.
Sie führten die Treppe hinunter, dann weiter geradeaus.
Schließlich bogen sie nach rechts ab, auf den Hauptstall zu.
Kaum hatte Grant den Schutz der Veranda verlassen, zuckte er unter dem eiskalten Wind zusammen, der ihm ins Gesicht biss. Die Böen waren stärker, als er gedacht hatte, und er mochte nicht darüber nachdenken, welche Temperatur bei diesem eisigen Wind herrschte.
Wut stieg in ihm auf. Was, zum Teufel, hatte sie mitten in der Nacht hier draußen zu suchen, bei diesem Schnee und arktischen Temperaturen? Wusste sie denn nicht, wie gefährlich es war?
Wusste sie denn nicht, wie leicht man sich in diesem blendenden, wirbelnden Weiß verirren und zu Tode frieren konnte, ehe man es richtig begriff? Wie konnte sie nur so dumm sein? So achtlos? Eigentlich hatte er gedacht, dass sie nicht den anderen Frauen aus der Stadt glich, aber jetzt...
Da packte ihn ein ungutes Gefühl, und er beschleunigte seinen Schritt, versuchte die Spur zu verfolgen, die von Moment zu Moment durch den fallenden Schnee immer schwächer wurde. Selbst seine kräftige Taschenlampe konnte dieses Weiß nicht mehr durchdringen, sondern reflektierte ihr eigenes Licht.
Ungefähr fünfzig Meter hinter dem Haus verlor er ihre Spuren. Er musste einfach davon ausgehen, dass sie zum Stall gegangen war, beten, dass sie es die letzten fünfunddreißig Meter geschafft hatte. Die Schiebetür war verschlossen, aber der Riegel lag nicht vor, und Grants innere Anspannung ließ ein wenig nach.
Mit einem Ruck schob er die Tür ein Stück zur Seite und schlüpfte hinein.
Mercy lag vor Jokers Box zusammengekrümmt am Boden.
5. KAPITEL
Joker wieherte - ein schmerzvoller Laut, den Grant von dem großen Hengst noch nie gehört hatte. Dieser Laut löste seine Erstarrung, und er rannte los. Dabei rutschte er auf losem Stroh am Boden aus, fiel fast hin, fing sich aber wieder und rannte weiter. Erneut wieherte Joker, bewegte seinen Kopf über der halben Boxtür auf und ab in Richtung Mercy, als fürchtete er, Grant hätte sie nicht gesehen. Beinahe hätte Grant ihm beruhigend zugerufen, dass er Mercy bemerkt hätte. Als wenn der Hengst es verstehen könnte...
Mercy zitterte am ganzen Körper, hatte die Arme um sich geschlungen, als würde sie versuchen, das bisschen Wärme nicht auch noch zu verlieren, das ihr nach dem verrückten Gang durch den Schnee hierher noch verblieben war.
Immerhin hat wenigstens ein bestimmtes Maß an
Selbsterhaltungstrieb bei ihr noch funktioniert, dachte er, als er sich neben sie kniete. Sie hatte ihre pelzgefütterten Stiefel und ihre Schaffelljacke angezogen. Aber was trug sie darunter irgendein dünnes grünes Ding, das wie ein Nachthemd aussah...
"Bist du
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