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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dabei – und der kommt in unwegsamem Gelände auch nicht viel schneller voran als wir. Wenn sich die Schwarze Schar lange genug damit aufhält, das Dorf und die Sturköpfe, die hierbleiben wollen, von der Erdoberfläche zu tilgen, haben wir eine reelle Chance, ihnen zu entkommen. Wir müssen nur über den Fluss setzen, bevor sie uns eingeholt haben.«
    »Du bist sicher, dass Konrad von Landau uns weiter verfolgen wird, wenn er das Dorf niedergebrannt hat?«
    Sie spürte, wie Lorenzos Blick versuchte, in ihr Herz vorzudringen. Gib dir keine Mühe, dachte sie, ich bin diejenige, die von uns beiden die Gabe hat, in den Seelen der anderen zu lesen, und glaub mir, es ist eine Bürde. Gleichzeitig spürte sie mit ihrem Sinn nach, welche Signale von ihm ausstrahlten, doch er war auf der Hut. Sie wünschte, sie fände eine Möglichkeit, ihn tatsächlich in ihr Herz blicken zu lassen, und fragte sich verwirrt, woher dieser Wunsch kam. Sie sah ihn lächeln. Das jungenhafte Gesicht, das einen weitaus leichtfertigeren Mann in ihm vermuten ließ, als es tatsächlich der Fall war, wirkte trotz des Lächelns starr. Lorenzo war ebenso erschöpft von den Ereignissen des gestrigen Tages wie alle, aber zusätzlich fraß etwas an ihm, das ihr noch immer nicht klar geworden war. Sicher war nur, dass es derzeit wieder mit aller Macht an ihm nagte.
    »Also gut«, sagte sie zuletzt. »Ich weiß, dass es so kommen wird. Und das Wolfspack weiß es auch. Corto war sich bereits darüber im Klaren, noch während er heute Morgen seine Rede hielt, in der er den Dörflern eröffnete, dass sie ihre Heimat verlassen müssten.«
    Lorenzo nickte.
    »Ich glaube, dass Corto die Richtung zum Po einschlagen will, hat einen anderen Grund als den, den du genannt hast«, sagte sie.
    »Und der wäre?«
    »Corto ist überzeugt, dass der Fluss ihn auch jetzt wieder beschützen wird, so wie damals, als er ein Junge war.«

Kapitel 29.
    A ntonio Bandini stand unter den Arkaden des Palazzo Mercatanzia an der Westseite der Piazza della Signoria und betrachtete das Gebäude, das seine Front aus goldfarbenem Stein auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Pflaster stemmte und mit seinem Glockenturm in den Himmel zeigte. Von den Zinnen flatterten die Wappen der Familien, die derzeit die acht Prioren und die zwölf Ältesten stellten, von der Gasse auf der Rückseite des Palazzo drang der scharfe Geruch der Löwenkäfige in Bandinis Nüstern. Er war sich bewusst, dass er nur um das Gebäude herum und in diese Gasse zu gehen brauchte, seinen Schritt nach Norden wenden und an den Käfigen vorbeimarschieren musste, vorbei an der Stadtfestung des capitano del popolo, vorbei an dem Haus, von dem der wütende Mob noch am Tag des gescheiterten Aufstands das stolze Pazzi-Wappen heruntergerissen hatte; dass er lediglich an der Gassenecke in die Via la Croce abzubiegen und weiter in Richtung zur Porta alle Croce zu stapfen hatte, um zu seinem Vaterhaus zu gelangen. Er wusste, dass er es nicht tun würde. Unterhalb der Fensterreihe im ersten Geschoss des Palazzo della Signoria, an der nördlichen Hälfte der Fassade, waren verwaschene, blassbunte Flecken zu sehen, die man für Verfärbungen hätte halten können, wenn man nicht wusste, dass es die Überreste der Fresken waren, mit denen Botticelli die Leichen der zwei verräterischen Priester, die Bernardo Bandini und Franceschino de’Pazzi bei ihrem Mordanschlag im Dom unterstützt hatten, porträtiert hatte – mit den Köpfen nach unten an der Fassade baumelnd, so wie sie gehangen hatten, bevor der Verwesungsgeruch die Signoria dazu gebracht hatte, die Leichen nach Tagen abzunehmen. Vierzig Jahre hatten sie zu Schatten reduziert, so wie sie die Erinnerung an Antonios Vater, seine Mutter, seine Geschwister und seine damaligen Freunde zu Schatten reduziert hatten.
    »Patron?«
    Bandini drehte sich um. Niccolò stand hinter ihm, in Begleitung des fuchsgesichtigen Mannes, den Niccolò und er in einer Kaschemme in der Nähe der Porta San Frediano aufgetrieben hatten. Der Mann entblößte ein Gebiss, das im Mund eines hundert Jahre alten Leichnams noch hässlich ausgesehen hätte, und grinste. Er tippte sich mit zwei Fingern ans Herz, ein spöttischer Salut: »Konsul.«
    » T. G. «, sagte Bandini, der sich nicht die Mühe machte zu lächeln. »Sind deine Männer reisefertig?«
    »Aber immer, Konsul.«
    Bandini unterdrückte die Abneigung, die er gegen den Mann empfand. Er verabscheute sich selbst, dass er sich mit Leuten wie T. G.

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