Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
ließ das Tau los, an das sie sich aufgrund der leicht vor- und zurückwiegenden Bewegung des Schiffes geklammert hatte, und tastete sich zur Nähe des Plattformrandes, um dort nach den Seilen zu fassen, die wie ein schmales Netz weiter nach oben führten. Sie würde es ihm schon zeigen, diesem Robert McRawley! Als sie hinaufgriff und den Fuß auf das erste Querseil setzte, war Robert auch schon bei ihr.
»Nicht! Ich habe doch nur Spaß gemacht!«
»Ich nicht«, erwiderte sie fest, machte sich von ihm los und setzte auch den zweiten Fuß auf das Seil.
»Bleib da«, zischte Robert ihr verärgert zu.
»Nein.«
»Verflixtes, dickschädeliges …« Er wandte sich zu Smithy um, der mit offenem Mund zusah. »Los, bring mir ein Seil. Mach schon, beeil dich!« An Vanessa gewandt sagte er: »Und du wartest, bis ich dir ein Seil umgebunden habe, dann klettere ich mit dir hinauf.« Niemandem – und am wenigsten Robert – fiel auf, dass er sie aus Ärger vor den Leuten duzte. Vanessa blieb folgsam dort hängen, wo sie war, und wartete, bis Smithy keuchend und mit hochrotem Kopf wieder zurückkam. Robert band das eine Ende des Seils um ihre Taille, das andere um die seine und kletterte an ihr vorbei hinauf. »Nicht hinuntersehen«, rief er ihr von oben zu. »Schön langsam!«
Sie folgte ihm, sah folgsam nicht in die Tiefe, während sie für ihre Füße nach Halt suchte, und wurde oben auf der kleinen Plattform schon von Robert in Empfang genommen, der ihr den letzten Schritt hinaufhalf. Er schlang das Seil um den Mast und legte den Arm um sie, sie dabei verstohlen küssend.
»Du hast tatsächlich viel Mut, mein Engel«, lächelte er.
»Engel brauchen keinen Mut, um in den Himmel zu klettern«, lachte Vanessa, sah sich um und war überwältigt von der Schönheit, die sie umgab. Um sie herum war nur das glitzernde Meer, und das Deck unter ihnen war zu einem Brett zusammengeschmolzen, auf denen sich die Männer wie Puppen bewegten.
Vanessa war vollkommen von dem Anblick des Wassers gefangen, das vom Bug des Schiffes geteilt wurde, wobei der Bugspriet weit darüber hinausreichte und bei jeder der langsamen, gleichmäßigen Bewegungen des Schiffes auf und ab wippte. Sie wurden, hoch oben und nur wenige Meter von der Spitze des Mastes entfernt sitzend, vor- und zurückgebeugt, wie auf einer überdimensional großen Schaukel. Vanessa schloss genießerisch die Augen und lächelte glücklich. Robert konnte kaum seinen Blick von ihr lösen, und plötzlich stieg in ihm die Frage hoch, die er ihr unbedingt stellen musste.
»Vanessa?«
Sie öffnete die Augen und sah ihn erfreut an. »Es ist das erste Mal, dass du mich bei meinem Namen nennst, mon Capitaine. «
»Er gefällt mir. Sehr gut sogar.«
»Mein Vater hat ihn ausgesucht.« Sie blinzelte in die Sonne, ganz in den Wind und die Bewegung des Schiffes versunken, und summte leise vor sich hin.
Robert öffnete den Mund, schloss ihn wieder und runzelte irritiert die Stirn. Verdammt, er hatte nie gedacht, dass ein Heiratsantrag eine so schwierige Sache war und man sich dabei vorkam wie ein Idiot. Wenn er sich überhaupt je in Gedanken damit beschäftigt hatte, dann war dabei immer alles recht einfach gewesen: Der Mann machte den Antrag, die Frau fiel ihm zitternd vor Glückseligkeit um den Hals, und damit war die Sache erledigt.
Aber diese Frau hier sah ihn nicht einmal an, sondern schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein. Er gab sich einen Ruck.
»Vanessa.«
»Hm …« Sie summte weiter.
»Willst du bei mir bleiben?« Geschafft. Robert atmete auf. Es war weitaus weniger unangenehm gewesen, als er gefürchtet hatte.
Sie wandte den Kopf und sah ihn an. Das glückliche Lächeln war verschwunden, und ihr Blick war ernst und – wie es ihm sogar schien – abweisend.
Er räusperte sich, plötzlich verunsichert. »Ich weiß, es ist eine schwierige Zeit«, fuhr er fort. »Wir befinden uns im Krieg. Ich könnte morgen schon tot oder gefangen sein, aber …« Er unterbrach sich, als er sah, dass sich ihre Augen noch mehr verdunkelt hatten. »Also: Willst du bei mir bleiben?«
»Bei dir bleiben …«, wiederholte sie nachdenklich.
»Ja.« Jetzt wäre der Moment, in dem sie ihm um den Hals fallen müsste und ihm mit zitternder Stimme erklären, wie glücklich sie wäre.
Aber nichts dergleichen geschah. Sie schwieg und sah ihn nur an.
Roberts gequältes Lächeln verschwand angesichts ihres abweisenden Ausdrucks. Was sollte das? Warum hielt sie ihn hin? War es dort, wo
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