Die Braut des Herzogs (German Edition)
war, als Clarissa Seltic noch ein Baby war«, unterbrach er sie fröhlich.
»Ja, genau.« Olivia genoß den Abend zusehends. Es war schön, mit jemandem ungezwungen lachen zu können.
»Ich kann mich an kaum einen der vielen Leute hier erinnern.«
»Verfügen Sie über mich«, bot sich Mr. Romsey an. »Ich kenne sie alle. Und kann Ihnen auch die dazugehörigen Lebensgeschichten erzählen. Obwohl keine wirklich interessant ist. Es sei denn, Sie möchten die meine hören.«
»Später vielleicht, Mr. Romsey«, entgegnete Olivia lächelnd. »Doch zuerst sagen Sie mir bitte, wer ist die außergewöhnlich hübsche junge Dame, mit der Mr. Finch-Bottom gerade tanzt.«
»Sie meinen die, deretwegen unsere liebe Gastgeberin soeben ganz grün wird vor Ärger? Sehen Sie nur, sie steht dort drüben mit der alten Mrs. Kirkgate und läßt die beiden nicht aus den Augen. Armer Berry. Das ist Miss Morgan. Eines der begehrtesten Mädchen der Saison. Bis Sie kamen, versteht sich. Sie ist mit Paul Greenhood so gut wie verlobt. Er steht dort am Fenster, neben Linham. Sehen Sie ihn? Der Hagere mit der Hakennase. Kein übler Kerl. Ein Pferdenarr, aber ein verdammt schlechter Kutschierer.«
Als dieser Tanz zu Ende war, eilte Lord Linham herbei, um Olivia zur Quadrille zu führen. Mit Mr. Finch-Bottom tanzte sie einen Ländler, mit Lord Herthsmith eine Gavotte. Darauf folgte ein junger Baron, dessen Namen sie nicht behalten hatte und der die Angewohnheit hatte, ihr bei jeder Drehung auf die Zehen zu treten. Seine zahlreichen Entschuldigungen waren das einzige Gesprächsthema des Tanzes. Als Olivia sich zum wiederholten Male wünschte, dieses Martyrium würde endlich zu Ende gehen, fiel ihr Blick zufällig zur Wand neben dem Eingang. Der Atem schien ihr zu stocken, ihr Herz begann rasend zu klopfen.
Dort neben der breiten, weißen Flügeltüre stand ein Gentleman, der sie mit unverhohlenem Interesse beobachtete. Sie hatte, berauscht von ihrem erfreulichen Erfolg, den Herzog von Wellbrooks völlig vergessen gehabt. Dieser Mann mußte Wellbrooks sein. Ihr erstes Zusammentreffen stand unmittelbar bevor. Daran gab es keinen Zweifel. Wer sonst hätte einen Grund, dort an der Wand zu stehen und sie nicht aus den Augen zu lassen? Nun denn, Euer Gnaden, ich bin bereit! Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu.
Er sah sehr gut aus, anders als sie sich ihn vorgestellt hatte. Blonde Locken, die Lipoen zu einem kaum merklichen Lächeln verzogen. Es schien, als würde ihn etwas königlich amüsieren. Sein Anzug war in einem dunklen Blau, schlichter als die der meisten anwesenden Herren. Und doch verrieten sein Schnitt und die Haltung seines Trägers den Gendeman von hohem Stand. Die Musik war zu Ende, und Olivia wußte, ohne sich umzudrehen, daß der Fremde auf sie zukam. Sie hatte den nächsten Tanz einem jungen Leutnant versprochen, der sich aufgrund einer Armverletzung auf Heimaturlaub in England befand. Sie würde nicht daran denken, diesem Mann einen Korb zu geben, nur weil Seine Gnaden geruhte, sie zum Tanz aufzufordern.
Doch es stellte sich heraus, daß sie gar keine Möglichkeit hatte, sich zu entscheiden.
»Unser Tanz, nicht wahr Miss Redbridge«, hörte sie eine angenehme Stimme neben sich. Der Gentleman verbeugte sich mit einem charmanten Lächeln, winkte dem jungen Offizier gutgelaunt zu und reichte ihr den Arm. Die Kapelle spielte die ersten Töne einer Quadrille, ein sehr »höfischer« Tanz, bei dem sich vier Paare in einem Quadrat gegenüberstehen und durch eine genau festgelegte, komplizierte Abfolge von Schritten in wechselnden Konstellationen dauernd zusammengeführt und getrennt werden.
»Ich hoffe, Sie verzeihen mir, daß ich Sie so formlos entführte. Es war niemand da, den ich hätte bitten können, mich Ihnen vorzustellen. Ich meine, bevor dieser Tanz begonnen hatte. Und ich woüte ihn unbedingt mit Ihnen tanzen.«
Bei der nächsten Tanzfigur wurden sie getrennt.
»Ihre Entschuldigung ist angenommen«, sagte Olivia, als sie wieder zusammentrafen.
»Fein. Danke.« Ihr Tanzpartner lächelte und tausend kleine Lachfältchen erschienen um seine Augen. »Wissen Sie, dies ist der letzte Tanz vor dem Souper, und ich wollte Sie unbedingt zu Tisch geleiten. Nun will ich die Vorstellung unverzüglich nachholen. Ich bin der Earl of MacAlister.«
Da wurden sie wieder getrennt, und das war gut so. Es fiel Olivia schwer, sich auf ihre Schrittfolge zu konzentrieren. Die widersprüchlichsten Gefühle kämpften in ihrer Brust. Sie war
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