Die Braut des Normannen
einen.«
Nichola ahnte nicht einmal, daß sie Zuschauer hatten, und sie sah auch nicht, daß Royce auf sie zukam. Sie hatte nur Augen für das Gesicht ihres Bruders. Die Sonne hatte seine Haut gebräunt und sein blondes Haar noch heller werden lassen. Es war ihr bis jetzt noch gar nicht aufgefallen, wie gutaussehend Justin war.
»Hast du schon erfahren, daß Ulric nicht mehr bei uns ist?« fragte sie.
Justin nickte. »Der Baron hat es mir erzählt.«
Nichola merkte, daß Justins Tonfall noch ein wenig schroffer geworden war. »Du brauchst dir keine Sorgen um Ulric zu machen. Duncan und Millicent werden gut zu ihm sein«, sagte sie.
»Nein, ich mache mir keine Sorgen, Ulric ist sicher glücklich bei ihnen.«
»Weshalb siehst du mich dann so düster an?« wollte sie wissen.
»Der Baron hat mir auch erzählt, daß Thurston hier war. Das hätte er nicht tun sollen.«
Justins Stimme klang gleichgültig, und Nichola wußte nicht, was sie davon halten sollte.
Royce unterbrach sie. »Justin, du hast einen Nachmittag in der Woche frei, aber heute bist du nicht beurlaubt. Verabschiede dich von deiner Schwester. Ingelram und Bryan erwarten dich schon.«
Justin trat zurück und verbeugte sich vor seinem Baron, aber Nichola wollte ihn noch nicht gehen lassen. Sie streckte die Hand aus, um ihn zurückzuhalten. Dabei bemerkte sie, daß sein linker Arm mit Leder bedeckt war.
In diesem Moment sah auch Royce die merkwürdige Vorrichtung.
»Was ist das?« wollte er wissen.
Justin wandte sich seinem Baron zu, während Bryan und Ingelram vortraten. »Bryan hat diese Prothese für mich angefertigt«, erklärte Justin achselzuckend, ohne den Blick zu heben.
Royce nahm eine der beiden Lederschlaufen, mit denen die Vorrichtung befestigt war, in die Hand. »Ich verbiete dir, das zu tragen, wenn das Training mit den Falken beginnt«, sagte er.
»Glaubt Ihr, die Falken würden ihn deswegen verspotten, Baron?« erkundigte sich Ingelram niedergeschlagen.
Royce lachte. Guter Gott, wie ahnungslos und unwissend sie waren ... Er wickelte einen der Lederriemen um seine Hand und sah Justin fest in die Augen. Das Gesicht des Jungen wurde rot. »Sie würden ihn nicht verspotten«, erklärte Royce Ingelram. »Aber sie würden dieses Ding todsicher zu ihrem Vorteil nutzen.«
Royce verstärkte seinen Griff, bis sich Justin kaum mehr rühren konnte. »Und dann würden sie sich sehr viel Zeit nehmen, um Justin so viel Verstand einzubläuen, daß er nie mehr eine solche Lederprothese trägt.«
Nichola erschrak bis ins Mark, als ihr Mann Justin auslachte.
Trotzdem griff sie nicht ein. Sogar sie verstand, daß die Ledervorrichtung eine Waffe war, die jeder Gegner zu seinem Vorteil nutzen könnte.
Justin begriff das auch. Sobald Royce seinen Arm losließ, nahm er die Prothese ab.
»Ihr dürft euch entfernen«, sagte Royce zu den drei Männern. Sie verbeugten sich gleichzeitig und machten sich auf den Weg. Justin wurde von Bryan und Ingelram flankiert. Nichola ergriff unbewußt Royces Hand, als sie ihnen nachsah.
Royce verspürte ihr leichtes Zittern und drückte ihre Hand.
»Fühlst du dich besser, nachdem du mit Justin sprechen konntest?«
Sie sah noch immer ihrem Bruder nach. »Ja.«
In diesem Moment drang Ingelrams Stimme an ihr Ohr. Offenbar war der junge Soldat der Meinung, daß sie weit genug entfernt wären, um nicht mehr gehört zu werden. »Bekommst du auch genug zu essen?« fragte er geziert und mit hoher Stimme.
Bryan fiel sofort ein: »Brauchst du meine Decke für die Nacht, Justin?«
Nicholas Bruder rächte sich, indem er Ingelram mit seiner rechten Schulter rammte und gleichzeitig versuchte, Bryan mit dem Fuß einen Tritt zu versetzen.
Ingelram und Bryan lachten, und – es war wie ein Wunder – Justin lachte mit.
Royce hielt sich zurück und fiel nicht mit ein. Er wollte Nichola nicht verletzen. Er drehte sich zu ihr und sah, daß sie lächelte.
»Ich habe mich benommen wie eine Glucke«, gab sie zu. »Er hat gelacht, Royce. Ich habe ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr lachen hören. Ich danke dir, Royce.«
Er wußte nicht genau, wofür sie sich bedankte, aber sie warf sich plötzlich in seine Arme und küßte ihn.
Nicholas Lächeln verblaßte nicht einmal, als Royce ihr erklärte, daß sie Justin nicht mehr sprechen könnte, bis die erste Phase seiner Ausbildung, die sechzig Tage dauerte, abgeschlossen wäre. Sie erhob keine Einwände, und Royce freute sich darüber.
Royce sah seine Frau erst beim Abendessen
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