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Die Braut des Piraten

Die Braut des Piraten

Titel: Die Braut des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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anderswo zu sein. Zudem sah es aus, als hätte sie ein geradezu schockierend starkes Verlangen nach weiteren Abenteuern. Ihr Appetit auf Seeräuberei war durch die Begegnung mit der spanischen Galeone urplötzlich geweckt geworden.
    Ich habe mit Portia mehr gemeinsam, als ich wusste, dachte Olivia amüsiert. Die illegitime Nichte ihres Vaters hatte einen unbezähmbaren Hang zum Soldatenleben und war mit umgürtetem Schwert in Breeches auf dem Schlachtfeld getraut worden. Auch Olivia spürte nun, welcher Reiz völlig unkonventionelles Benehmen barg. Bislang hatte sie Portia für einzigartig gehalten, für jemanden, der sich selbst Gesetz war. Portias Tun war mit dem Verhalten normaler Menschen nicht zu vergleichen. Vielleicht aber doch. Oder färbte ihre Einzigartigkeit etwa auf ihre Freundinnen ab? Eventuell war Olivia selbst auch ungewöhnlich, ohne dass sie es bis jetzt gewusst hatte.
    Olivia schob lächelnd die Decke beiseite und setzte sich auf. Hungrig schnuppernd sog sie die Luft ein. Von irgendwoher wehte köstlicher Bratenduft herein, dass ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Neugierig schaute sie sich in der Kabine um, ob sie ihr etwas über den Herrn der
Wind Dancer
verraten konnte.
    Als sie ihre Erkundung begann, kam ihr keine Sekunde der Gedanke, sie würde in sein Privatleben eindringen. Auf dem Tisch lagen Seekarten mit einem Sextanten und Kompass. Sie warf einen Blick auf die Zahlen. Die Handschrift zeigte denselben kühlen Schwung, mit dem er die Konturen ihres Rückens gezeichnet hatte. Die Berechnungen reizten ihr mathematisches Interesse, obwohl es größerer Konzentration bedurft hätte, sie zu verstehen.
    Sie betrachtete die Bücher auf den in die Wände eingelassenen Regalen. Eine aufschlussreiche Auswahl. Dichtung, Philosophie, einige ihrer eigenen bevorzugten klassischen Texte. Ein Schiffsherr mit intellektuellen Interessen also. Sie begutachtete das Schachbrett auf dem Tischchen unter dem Fenster. Es sah aus, als würde er mitten in einer Partie stecken oder ein Schachproblem lösen.
    Olivia beugte sich mit gerunzelter Stirn über die Figuren. Sie nahm den weißen Läufer und wechselte ihn gegen den König auf Feld vier aus. Wieder runzelte sie die Stirn.
    Dann nickte sie befriedigt. Ihr Zug war korrekt. Weiß würde nun in zwei Zügen matt sein. Kein besonders kniffliges Problem, erkannte sie.
    Vor sich hinsummend wandte Olivia sich erneut dem Kartentisch zu. Müßig zog sie eine Tischlade auf. Darin lagen Papiere, ein dicker Stapel, verkehrt herum. Sie nahm den Stapel heraus und legte ihn auf den Tisch. Es waren Zeichnungen, Bleistiftskizzen. Es sah aus, als sei der Herr der
Wind Dancer
ein Zeichner, der überall Objekte für sein Talent fand. Hier hatte er Mitglieder seiner Besatzung verewigt.
    Fasziniert betrachtete sie diese Skizzenserie. Einige Gesichter erkannte sie sogar, da sie sie auf Deck gesehen hatte. Jethro, der Steuermann, war mehrmals abgebildet. Auf einigen Zeichnungen waren die Männer bei der Arbeit festgehalten, beim Segel flicken, Tau spleißen, beim Klettern in der Takelung. Auf anderen Skizzen wurde gespielt, gelacht oder man lauschte einem Kameraden, der am Mast lehnend eine Laute schlug. Drei oder vier Bilder zeigten nackte Männer unter einer Pumpe an Deck. Das Wasser glänzte auf ihrer Haut, ihre Augen lachten.
    Olivia, mit Texten und Illustrationen aus der Klassik zu vertraut, um von der Darstellung männlicher Nacktheit in Verlegenheit gebracht zu werden, gewann den Eindruck, dass der Künstler eine ausgesprochene Begabung für Anatomie besaß. Die menschliche Gestalt reizte ihn offensichtlich, wie die Vielzahl von Detailskizzen von Händen, Füßen, eines Knöchels, einer Schenkelstellung verriet. Doch auch die Gesichter waren voller Leben. Mit nur wenigen Strichen wurde ein Moment in einer Kopfneigung, einem Blick fest gehalten.
    »Wenn meine Arbeiten nicht offen daliegen, sind sie im Allgemeinen nur für meine Augen bestimmt.«
    Olivia hatte nicht gehört, dass die Tür geöffnet worden war. Als sie erschrocken hochzuckte, flatterten die Zeichnungen auf den Tisch, eine oder zwei glitten auf den Boden.
    Der Herr der
Wind Dancer
stand im Kabineneingang. Seine Miene hatte ihre übliche Heiterkeit verloren. Eine tiefe Falte grub sich in seine Stirn.
    »Ich bitte um Entschuldigung. Ich wollte nicht in fremden Sachen schnüffeln«, sagte Olivia errötend. »Die Lade war nicht versperrt…«
    »Nein, weil es nicht zu den Gewohnheiten meiner Leute gehört, sich in mein

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