Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
Gleichmütig ließ er es geschehen, dass die anderen über
ihn redeten, als sei er nicht anwesend, und hörte Osman und Adara eine Lüge
nach der anderen über ihn erzählen. Er versuchte sogar noch, möglichst
einfältig in die Runde zu lächeln, was ihm offensichtlich vortrefflich gelang,
wenn er den mitleidigen Blick Theodors richtig deutete.
Der alte Mann war nun
bestens gelaunt. Die letzten Vorbehalte hatte er schließlich fahren gelassen,
als Adara ihm das Erbstück seiner Maria an Leonhardt, ein Medaillon, zur
Aufbewahrung übergab. Ganz allein als Frau im Hause Leonhardts fühle sie sich
nicht in der Lage, derartige Kostbarkeiten sicher zu verwahren. Frank und frei
gab Theodor daraufhin zu, Adara bis zum heutigen Tage nicht über den Weg
getraut zu haben, vielmehr hatte er bislang gedacht, sie habe es nur auf
Leonhardts Anteil an der Mine abgesehen. Als er die Frau seines Neffen beschämt
um Vergebung bat, hatte nicht nur er eine Träne im Auge. Er versprach Adara
jedwede Unterstützung, sei es, um Leonhardt aus dem Kerker zu bekommen, als
auch hinsichtlich ihrer angekündigten Niederkunft. Da ihm sein Weib leider
keine Nachkommen geschenkt habe und er nunmehr ohne Erben dastehe, werde er
seine Angelegenheiten zu ihren Gunsten regeln. Und das bereits am morgigen
Tage, da er fühle, dass der Herr ihn in allernächster Zeit zu sich berufen
werde.
Es war schon lange
dunkel, als sie auseinandergingen, und ein jeder meinte, zumindest einen neuen
Freund gefunden zu haben.
Was jedoch Leonhardts
Schicksal betraf, waren sie ratloser denn je. Dieser alte, warmherzige Mann kam
nicht als Halunke in Betracht, das stand für jeden eindeutig fest.
*
Die Glocken schlugen schon zur Nachtmesse, als sie allesamt
schweigend Leonhardts Haus erreichten.
»Und wie soll ’ s
jetzt weitergehen?«, beendete Robert die bedrückende Stille.
»Oh, er kann ja doch
reden!«
Robert und Osman
schauten sich verständnislos an, anscheinend hatte Adara den Ernst der Lage
nicht erfasst.
»Wir stehen mit leeren
Händen da, und du machst Witze. Roberts Frage war durchaus berechtigt. Also,
wie soll’s nun weitergehen, oder bist du schon zufrieden, jetzt, da Theodor dir
den Unterhalt versprach?« Osmans Miene klarte auf, gerade so, als sei ihm eben
ein Licht aufgegangen. »Aber natürlich, du hast ja, was du wolltest, ob nun
dein Mann im Kerker verrottet und wir bald obendrein, das ist dir doch gleich!«
»Was für ein
elendiger Unfug!«, zischte sie verärgert. »Natürlich ist es mir nicht Einerlei,
was mit Leonhardt geschieht, und selbst um euch beiden tät’s mir leid, obwohl
ihr’s nicht verdient!« Zornig fuchtelte sie mit dem Zeigefinger ihrer rechten
Hand vor Osmans Nase herum, während sie die linke fest in ihre Hüfte stemmte,
dann hielt sie kurz inne. Eine Frage, die sie bei der Aufregung fast vergessen
hatte, wartete darauf, endlich beantwortet zu werden. »Was hatte eigentlich
dieser Aufstand bei Theodor zu bedeuten?« Und direkt an Robert gewandt. »Sag
mir, warum kamst du hereingejagt, als sei der Leibhaftige hinter dir her?«
Osman hob an, für seinen Freund zu
antworten, doch Adara fuhr ihm sofort ins Wort. »Untersteh dich, für ihn zu
antworten, bei dir kommt eh nur eine Lügengeschichte heraus!«
»Das sagt die Richtige!«
»Herrgott, Robert, nun glaub mir doch
endlich, es tat mir damals leid, und erst recht jetzt, da ich dich besser
kenne, aber es blieb mir keine Wahl, ich wusste mir nicht anders zu helfen.
Lass uns alte Rechnungen begleichen, wenn die Zeit dazu kommt, jetzt jedenfalls
ist dafür nicht der rechte Augenblick.« Vergebung erbittend rang sie ihre
Hände.
»Ich hab dir nicht getraut, dachte, du
würdest Theodor vergiften wollen, um die Mine ganz für dich allein zu haben«,
kam kurz und knapp Roberts Antwort.
»Du dachtest tatsächlich, ich könnte aus
lauter Habgier einen Menschen töten?« Adara meinte, sich verhört zu haben.
»Nun tu nicht so überrascht! Du hast mir
das Pferd und zudem unser gesamtes Geld gestohlen, das kommt fast aufs Gleiche
raus!«
Keiner sagte ein Wort, so sah sich Osman
genötigt fortzufahren. »Als ich sah, dass in der Dose kein Gift, sondern nur
eine Kette war, habe ich rasch Robert zum Deppen erklärt. Nur so war sein
Ausbruch zu erklären!«
»Ihr habt tatsächlich geglaubt, ich würde
ihn töten?« Ohne ein weiteres Wort ging Adara nach oben ins Schlafgemach und
ließ die beiden stehen.
Freitag, der achte September
Die Galgenfrist
Leonhardt wollte
Weitere Kostenlose Bücher