Die Braut im Schnee
haben Sie ein Problem», sagte der Dackelbesitzer. «Sie wird frühestens im Februar oder März nach Deutschland zurückkehren. Sie wollte nach Australien und Neuseeland. Sie hat gesagt, sie will ein paar Monate Urlaub vom Leben machen. Kein Handy, kein Fax, kein E-Mail .»
Morell bedankte sich bei dem Mann. Als die beiden Polizisten sich bereits abwenden wollten, zupfte der Dackelbesitzer Marthaler am Ärmel seines Mantels. «Und denken Sie dran, Ihr …»
«Ich weiß», unterbrach ihn Marthaler. «Sie mögen mein Auto nicht. Trotzdem bleibt es vor Ihrem Haus stehen.»
«Und jetzt du», sagte Marthaler, nachdem er Konrad Morell berichtet hatte, wie es dazu gekommen war, dass er Ohrenzeugedes Mordes in Kranichstein geworden war. «Jetzt sag mir, was ihr hier vorgefunden habt.»
«Eigentlich weißt du mehr als wir. Die Haustür war kaputt und stand offen, als wir ankamen. Wir haben alle Räume abgesucht und niemanden entdeckt. Der Täter war verschwunden, auch das Opfer konnten wir zunächst nirgends finden. Im ersten Moment dachten wir, das Haus sei leer. Dann sahen wir die Frau. Sie lag im Wohnzimmer hinter dem Sofa. Wahrscheinlich hatte sie sich dorthin geflüchtet, während du noch am Telefon warst. Sie war nur mit einem Nachthemd bekleidet. So wie es aussieht, hat man ihr zunächst aus einiger Entfernung in die Lunge geschossen. Ob sie dadurch bereits getötet wurde, können wir jetzt noch nicht sagen. Der zweite Schuss traf sie aus nächster Nähe in den Kopf. Wahrscheinlich hat der Täter ihr die Waffe direkt an die Schläfe gehalten und ein weiteres Mal abgedrückt. Nähere Beschreibungen, wie es am Tatort aussah, kann ich dir wahrscheinlich ersparen.»
Marthaler überlegte angestrengt. Er kam zu keinem Ergebnis. Alles, was er hatte, waren Fragen. «Kannst du mir sagen, was das alles zu bedeuten hat?»
«Das fragst du mich?», erwiderte Morell. «Da importiert ihr uns eure Frankfurter Scheiße, und jetzt müssen wir sie für euch beseitigen. Und nebenbei sollen wir am besten auch noch euren Fall klären.»
«Aber wie hängen diese beiden Morde zusammen? Wer war diese Frau? Das müssen wir als Erstes herausfinden. Warum wurde sie ausgerechnet in dem Moment, als ich mit ihr telefonierte, erschossen? Ich sehe keinen Zusammenhang. Meinst du, das Ganze könnte ein Zufall gewesen sein?»
Konrad Morell schaute Marthaler an und verdrehte die Augen: «Robert, das meinst du doch nicht ernst. Du willst mit der Zeugin in einem Mordfall telefonieren. Die Zeuginbefindet sich aber im Urlaub, was du zu diesem Zeitpunkt noch nicht weißt. Stattdessen meldet sich eine andere Frau am Telefon, die du für deine Zeugin hältst. Und während ihr sprecht, wird diese Frau ebenfalls ermordet. Also bitte: Da kannst du mir nicht mit einem Zufall kommen.»
Marthaler war stehen geblieben. «Aber die Frau war zufällig in dem Haus. Stefanie Wolfram kannte sie vielleicht nicht einmal. Sie wurde durch die Mitwohnzentrale dorthin vermittelt.»
Morell hatte sich dicht vor seinem Frankfurter Kollegen aufgebaut und die Arme über dem Bauch verschränkt. Während er sprach, verlagerte er mit einem kleinen Wippen sein Körpergewicht immer wieder von den Fußballen auf die Fersen, eine Angewohnheit, die Marthaler schon früher aufgefallen war. «Robert, zähl einfach zwei und zwei zusammen. Wenn du die Frau für Stefanie Wolfram gehalten hast, warum sollte es dem Täter nicht genauso ergangen sein? Du hast dich geirrt. Er hat sich genauso geirrt. Er wollte deine Zeugin beseitigen. Und ist in deren Haus irrtümlich auf eine Unbekannte gestoßen.»
«Das heißt dann aber, er kannte keine der beiden Frauen. Sonst hätte er sie ja wohl nicht verwechselt.»
Morell ließ seine Hand durch die Luft flattern, eine Geste, die besagen sollte, dass er sich nicht sicher war.
«Aber wenn er auch Stefanie Wolfram nicht kannte», fuhr Marthaler unbeirrt fort, «warum hat er sie dann umbringen wollen?»
«Vielleicht, weil sie etwas über deinen Frankfurter Fall wusste, das du nicht wissen solltest.»
«Aber dazu hätte der Täter zumindest wissen müssen, dass ich vorhatte, Stefanie Wolfram zu befragen. Verstehst du eigentlich, was das heißt?» Langsam schienen sie beide zu begreifen, welche Schlussfolgerung man aus Konrad MorellsThese ziehen konnte. «Nein, Konrad, das kann nicht sein. Dann wären meine Ermittlungen …»
«Dann könnte man sagen, dass deine Ermittlungen das Todesurteil für die Frau in Stefanie Wolframs Haus gewesen
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