Die Braut von Rosecliff
nicht vor Owain. Mit die sem Mann würde er eines Tages kämpfen, und er würde ihn töten. Ihm blieb gar keine andere Wahl, wenn in diesem Land jemals Fri e den herrschen sollte.
Er hatte Angst um seinen Bruder, doch sein Gesicht verriet keine Gemütsbewegung, und seine Hände zitterten nicht, als er den Knoten löste. Was er dann sah, verursachte ihm freilich he f tige Übelkeit.
Es war ein Finger, über den ein Siegelring gestreift war – Ja s pers Siegelring! Sie hatten ihm einen Finger abgehackt, und das war nur passiert, weil Rand seine Feinde unterschätzt hatte.
Er starrte Owain grimmig an. »Für diese Tat werdet Ihr mit E u rem Leben bezahlen.«
Der Kerl lachte. »Wenn Ihr meine Braut besudelt habt, werdet Ihr viel mehr als nur einen Finger verlie ren. Ich werde Euch langsam in Stücke hacken – Finger, Hände, Füße… und ich werde dafür sorgen, dass Ihr dabei möglichst lange am Leben bleibt!«
»Schluss!«, befahl Clyde ihm zornig und trat zwi schen die beiden Männer. »Lasst meine Nichte frei, mehr will ich nicht.«
»Erst wenn ich Jasper gesehen habe.«
»Einverstanden.«
»Wo ist er jetzt?«
»An einem sicheren Ort. Wir können ihn in kürze ster Zeit h o len.«
»Bringt ihn im Morgengrauen her.«
»Warum so lange warten?«, warf Owain ein.
»Ich möchte ihn schon von weitem sehen können.
Wenn er allein den Hügel erklimmt, schicke ich Josse lyn ihm entgegen. Aber Gnade Euch Gott, wenn Jas per sich nicht auf den Beinen halten kann, wenn er gestützt oder getragen we r den muss!«
»Das wird nicht der Fall sein«, versprach Clyde. »Also dann – im Morgengrauen!«
Josselyn saß am Kamin, mit angewinkelten Beinen, den Kopf auf den Knien. Die Nacht war nicht kalt, und das Feuer spe n dete angenehme Wärme. Trotz dem fror sie.
Rand würde einem Austausch der Geiseln zustim men, daran zweifelte sie nicht. Um das Leben seines Bruders zu retten, würde er sogar die Demütigung auf sich nehmen, mit Leuten verhandeln zu müssen, die er eigentlich beherrschen wollte. Ihr winkte also die Freiheit, die sie so heiß ersehnt hatte.
Freiheit? Wenn es Owain gewesen war, der Jasper gefangen hatte, würde er sich als Held feiern lassen und auf einer sofo r tigen Hochzeit bestehen. Bei die sem Gedanken liefen ihr eisige Schauer über den Rücken.
Aber würde Owain sie noch heiraten wollen, wenn sie ihm sagte, dass sie mit Rand geschlafen hatte?
Sie war sich nicht sicher.
Ihr Volk legte keinen allzu großen Wert auf die Unschuld e i ner Braut, im Gegensatz zu den Englän dern und Franzosen. Doch Owain war grausam und selbstherrlich, und sie wusste instinktiv, dass er größ ten Wert darauf gelegt hätte, sie zu entjungfern. Er würde ihr nie verzeihen, dass sie sich einem En g län der hingegeben hatte, und er würde sie ein Leben lang dafür bestrafen.
Josselyn war einer Panik sehr nahe. Nein, sie konn te Owain nicht heiraten! Mochte er noch so toben, mochte auch ihr Onkel wütend auf sie sein – niemand würde sie dazu bringen, O wain ihr Jawort zu geben!
Ihre Gedanken schweiften wieder zu Madoc ap Lloyd. Er war der einzige Mann, der Owain in seine Grenzen verweisen und zugleich ihrem Onkel helfen konnte.
Ja, Madoc würde ihrem Onkel helfen, die Englän der zu ve r treiben, damit die Waliser ihre Freiheit be hielten. Doch sobald dieser Kampf gewonnen war, würden die Waliser sich wieder gegenseitig befehden, wie sie es immer getan hatten.
Oh, alles war so hoffnungslos! Würde in ihrem Land denn niemals ein dauerhafter Frieden herr schen?
Josselyn hob plötzlich den Kopf und starrte nach denklich ins Feuer. Was, wenn Rand seine Burg bauen und hier herrschen würde? Er hatte geschworen, sowohl Engländer als auch Waliser beschützen zu wollen. War es ihm ernst mit diesem Ve r sprechen? Und könnte er es in die Tat umsetzen? Hätten alle Bewohner dieses Tals am River Gyffin dann vielleicht ein bess e res Leben? Brauchten sie dann vielleicht nicht mehr jeden Tag zu befürchten, von feindlichen Nachbarn überfallen zu werden?
Sie wurde jäh aus diesen bestürzenden Gedankengängen g e rissen, als die Tür aufgerissen wurde und Rand ins Zimmer stürzte. Er atmete schwer und kochte sichtlich vor Wut. Die Tür fiel laut ins Schloss. »Ich habe deinen Verlobten getroffen.«
»Owain?« Josselyn stand langsam auf. »Hat er dei nen Bruder mitgebracht?«
»Nein.«
Rand warf ihr ein verknotetes Tuch zu, und sie fing es auf. »Öffne es!«, befahl er eisig. Seine Augen schleuderten Blitze, und
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