Die Braut von Rosecliff
ein ffos.« Josselyn deutete auf die Stelle, wo seine Männer mit Schaufeln und Pickeln schuft e ten.
»Nein, kein Graben – es sind die Fundamente für eine Ma u er.«
»Gwal«, übersetzte Josselyn. »Soll diese Mauer mein Volk von Eurem fernhalten?«
»Nein, sie soll meine Verbündeten schützen, wer auch immer sie sein mögen, und nur meine Feinde fernhalten – ob das nun Waliser oder Engländer sind.«
»Kennt Ihr Eure Feinde denn nicht?«
Randulf Fitz Hugh grinste. Es war ein sympathi sches L ä cheln, musste Josselyn zugeben. »Ich hoffe, dass es mir gelingt, hier bald nur Verbündete zu ha ben. Auf dich lege ich dabei b e sonderen Wert.«
Wider Willen fühlte sie sich geschmeichelt, rief sich aber sofort streng zur Ordnung. Nein, sie würde nie mals seine Verbündete sein! Aber das brauchte dieser arrogante Kerl nicht zu wissen, der sie amüsiert an schaute. »Vielleicht werdet Ihr ja unser Ve r bündeter werden.«
»Das ist doch das Gleiche.«
»Nein, es ist keineswegs das Gleiche«, wide r sprach sie trotzig.
Auf gar keinen Fall durfte sie ihren Blick von ihm abwenden, denn das würde er zweifellos als Feigheit auslegen. Was sie sich nicht eingestehen wollte, war, dass seine dunklen Augen sie förmlich hypnotisier ten, dass sie gar nicht wegschauen konnte. Eine knis ternde Spannung lag in der Luft, eine Spa n nung, die nichts mit dem Wortwechsel zu tun hatte…
Ihre Rettung nahte in Gestalt von Sir Lovell. Sobald der Baumeister in Sicht kam, wandte Fitz Hugh ihm seine Au f merksamkeit zu, und Josselyn stieß laut den Atem aus, den sie u n willkürlich angehalten hatte.
Allmächtiger! Was hatte sich soeben abgespielt? Ihre Haut prickelte, als wäre sie einem Feuer zu nahe gekommen. Sie trat einen Schritt zurück und rieb sich die Arme. In Zukunft musste sie unbedingt mehr Dis tanz zu diesem gefährlichen Mann ha l ten. Welch ein Glück, dass er jetzt dem Rotbart lauschte.
»… eine weiche Stelle, die ein tieferes Fund a ment erfordert.«
»Was länger dauern wird?«, fragte Fitz Hugh mit gerunzelter Stirn.
»Ja, aber wenn wir die Innenmauer umleiten, müss te der Turm breiter als geplant werden, weil andern falls eine Lücke entsteht. Seht selbst!« Er breitete seine Pergamentrolle auf dem Boden aus, und beide Männer beugten sich darüber.
Josselyn stand regungslos da, in der Hoffnung, dass man ihre Anwesenheit vergessen würde, aber sie spitzte die Ohren, um sich kein Wort entgehen zu las sen. Natürlich brannte sie vor Verlangen, einen Blick auf den Bauplan zu we r fen, aber sie wurde von der grellen Morgensonne geblendet. Unwillkürlich trat sie etwas näher heran, und sofort schaute Sir Lovell auf, ve r stummte mitten in einem Satz und stieß Fitz Hugh an.
»Ist das Euer neuer Dolmetscher?«
Auch Fitz Hugh drehte sich nach ihr um. »Ja.«
»Guten Tag, Sir Lovell«, sagte Josselyn, erpicht da rauf, das Vertrauen des älteren Mannes zu gewinnen. »Möchtet Ihr auch unsere Sprache lernen – das Cym raegl« Sie lächelte ihm zu und konnte tatsächlich einen Erfolg verbuchen: seine gefurchte Stirn glättete sich.
»Wenn ich die nächsten zehn Jahre hier leben und arbeiten muss, wäre es bestimmt klug, die Landes sprache zu lernen. Danke für das Angebot, Mädchen.«
»Mädchen heißt Llances«, begann sie sofort mit dem Unte r richt.
»Llances«, wiederholte er lächelnd. »Du bist ein sehr hübsches llances. Ich habe selbst zwei Töchter, aber sie sind jünger als du.«
»Werden sie Euch hierher folgen?«
»Später«, antwortete Fitz Hugh, bevor Sir Lovell es tun kon n te. »Später werden wir alle unsere Fami lien hierher holen. Doch vorher gibt es jede Menge zu tun. Kommt, Sir Lovell, zeigt mir jene kritische Stel le.«
Die beiden Männer gingen den Hügel hinab. Josse lyn starrte ihnen nach. Diese Engländer waren anders als alle Männer, die sie bisher gekannt hatte. Der arro gante Fitz Hugh machte ihr Angst, übte aber zugleich eine unerklärliche Anziehungskraft auf sie aus. Der umgängliche Architekt erinnerte sie an ihren Vater, obwohl er ihm überhaupt nicht ähnlich sah. Ihr Vater war groß und dunkelhaarig gewesen und hatte eine tiefe, polternde Stimme gehabt. Trotzdem – als Sir Lovell seine beiden Töchter erwähnt hatte, war er ihr sehr sympathisch gewesen…
Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Der Bau meister lie b te seine Töchter und vermisste sie ver ständlicherweise. Wenn sie es geschickt anstellte, würde er seine brachliegenden väterl i chen
Weitere Kostenlose Bücher