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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Tankdeckel wirklich abgeschlossen war, machte sie sich zu Fuß auf den Weg zu dem Hospital aus Glas und Stahl.
    Die Zeit zerrann ihr zwischen den Fingern. Sie wußte, sie mußte diese Sache durchziehen und dann schnellstens wegfahren; aber anscheinend konnte sie ihre Füße nicht so schnell bewegen, wie sie wollte – wie Schlingpflanzen behinderten alte Erinnerungen ihren Gang und ließen sie am Rand des Parkplatzes innehalten. Sie drehte sich halb um und blickte zurück auf den fast leeren asphaltierten Platz, auf dem einst Busse und Kleinlaster gestanden hatten; jetzt bog eine leichte, trockene Brise die dünnen grünen Platanenschößlinge, die wie Zeichen der Vernachlässigung aus den Rissen im Asphalt sprossen. Einmal hatte sie an derselben Stelle gestanden und zugesehen, wie Leichenwagen in langer, stetiger Reihe von dem Schulgelände kamen und ihre Fahrt bei den Bremsschwellen verlangsamten, die sie Hunderte von Malen voll mit lachenden Kindern überquert hatten – alle auf dem Weg zu einem glücklichen Zuhause mit liebevollen Eltern, ihrem natürlichen Platz in einer Welt, die so war, wie sie sein sollte.
    Unwillkürlich überlief sie ein Schauder; sie versteifte sich, als er ihr kalt den Rücken hinabrieselte. Sie riß sich von ihrem Schmerz los und wandte sich wieder dem Krankenhaus zu. Als sie näherkam, sah sie am Straßenrand Maschinen, um Pfosten einzurammen, und Tieflader mit riesigen Rollen Maschendraht. Beim erstenmal hatte es nur ein oder zwei Tage gedauert, das Krankenhaus mit der Metallbarriere komplett abzuriegeln. Zwei Sonnenuntergänge, hätte Alejandro vielleicht gesagt, wenn er dabeigewesen wäre. Das Jameson Memorial würde in Kürze eine ebenso uneinnehmbare Festung sein wie irgendeine mittelalterliche Burg, der der Arzt auf seiner Reise durch Europa begegnet war – und wesentlich tödlicher. Es war einfach kein Aufenthalt für ein krankes Kind, und Abraham Prives die rettende Gabe von Alejandro zu bringen, schien Grund genug, den Spießrutenlauf durch Hallen und Gänge und Treppenhäuser in sein Zimmer auf sich zu nehmen.
    Doch als sie in Sichtweite der neu eingerichteten Sicherheitsstation mit ihrem Scanner aus glänzendem Chrom und Plastik kam, geriet ihre mutige Entschlossenheit auf einmal ins Wanken. Die Wachen trugen das vertraute, aber gefürchtete Grün, und als sie sie in einer Gruppe beieinander sah, mußte Janie unwillkürlich an den Flughafen Heathrow denken, wo sie im Zwischengeschoß wie Scharfschützen gleichsam über einem Bassin mit Fischen gestanden hatten, bereit, jeden herauszuangeln, der sich auffällig benahm.
    Als sie näherkam, wies einer der Cops auf den Identitätssensor. Janie trat also vor und führte ihre Hand mit der Handfläche nach unten unter dem Laserscanner durch. Der Cop reichte ihr eine Gesichtsmaske. Sie nahm sie und setzte sie auf. Dabei wurde kein Wort gewechselt.
    Durch eine weitere Serie von Handzeichen wurde sie dann angewiesen, vorzutreten und den eigentlichen Scanner zu passieren. An dieser Stelle würde man sie fassen, wenn dazu ein Grund auftauchte, obwohl noch niemand recht wußte, wo diesmal die Internierungslager waren. Binnen weniger Tage, wußte Janie, würde irgendein aufgeregter Angehöriger mit politischem oder finanziellem Einfluß die Information aus einem Zivilbeamten herausgeholt haben, der mit den Nerven am Ende war und sich darauf vorbereitete, seinen Posten für die erhoffte Sicherheit im Hinterland zu verlassen – jemand, der sich um die Konsequenzen seines Verrats nicht mehr scherte.
    Bis es dazu kam, würde sie sich in dem Versteck am Fuß der Berge befinden, und niemand würde ihr mehr schaden können. Irgendwann würde auch sie erfahren, wohin die Infizierten gebracht wurden.
    Obwohl es keinerlei Unterschied machte, ob man das wußte oder nicht.
    Der Alarm ertönte nicht, und Janie wurde durchgewinkt. Sie rannte den Gang hinunter, wobei ihre Schritte auf dem harten Fliesenboden widerhallten. Dann hastete sie die Treppen hinauf, den Aufzug mit seiner recycelten Luft verschmähend. Die Türen zu allen Zimmern waren geschlossen, aber noch trug keine das tödliche grüne Klebeband, das schreckenverbreitende Zeichen der Quarantäne. Trotzdem kam ihr das Gebäude verlassen und unheimlich vor, und als Janie Abrahams Zimmer erreichte, trat sie einfach ein und zog schnell die Tür hinter sich zu.
    Obwohl verschlossene Türen auch nichts abhalten konnten.
    Sie fand Mrs.  Prives neben dem Bett, genau da, wo sie sie erwartet hatte.

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