Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Tür.
Jessas.
» Hey, hier!«, ruft sie und winkt ihn zu sich.
» Ah, hallo!«
Tino sprintet zu ihr, die Tür schließt sich hinter ihm, die beiden begrüßen sich mit Bussi rechts und Bussi links, dann wandert sein Blick durch den Wagen.
Ich drehe mich weg, so schnell, das glaubt man gar nicht.
» Willst du dich setzen?«, fragt der Eisengel.
Um Himmels willen. Bitte nicht.
Aber natürlich passiert es. Die beiden entdecken die freie Bank gegenüber von mir. Und nur einen Wimpernschlag später schauen sie mir direkt ins Gesicht.
» Hi, Fanny!«, ruft der Eisengel überrascht.
Wie pflegt das Omilein zu sagen? Der Teufel scheißt immer nur auf Haufen, die leicht zu treffen sind.
» Servus«, erwidere ich mit bröselnder Stimme.
Der Schweiß tritt mir auf die Stirn, und ich überlege panisch, was schlimmer ist: vor den Augen seines Schwarms zu sabbern oder sich vor den Augen seines Schwarms Speichelfäden vom Kinn zu wischen. Ich entscheide mich für Letzteres und bewege die Faust mit dem Tempo möglichst unauffällig in Richtung Mundwinkel.
» So ein Zufall!«, sagt sie, und die beiden strahlen mich an, ungefähr genauso, wie sie mich gestern angestrahlt haben, als ich den Ettl zurechtgewiesen hab.
» Hm, hm, hm«, lache ich. Obwohl sich das Geräusch, das ich mache, natürlich keineswegs so anhört wie ein Lachen, sondern eher so, als sei mir einer auf den Zeh gestiegen. Mist. Gestern war ich auch schon nicht besonders entspannt, wegen höllenmäßigem Zahnweh. Spätestens jetzt hält Tino mich für das unlockerste Wesen zwischen hier und Altötting, so viel ist sicher.
» Fährst du zur Arbeit?«, fragt jetzt der Tino, während der Eisengel grinsend danebensteht.
Ich nicke und versuche dabei, meinen linken Mundwinkel fest zusammenzupressen, damit kein Unglück geschieht. Dass der Tino überhaupt mit mir redet, muss der Ettl-Bonus sein. Irgendwie scheint mich die Aktion gestern in ein anderes Licht gerückt zu haben. Dabei hab ich einfach nur getan, was ich tun musste.
» Wir kommen heute auch wieder«, sagt er.
» Schön«, sage ich mit geschlossenen Lippen.
» Danach wollen wir noch in die Bikini-Bar«, sagt der Eisengel.
» Mhm«, mache ich mit verkrampftem Lächeln.
Ich tupfe mir noch einmal den Mundwinkel trocken. Wahrscheinlich hält er mich für vollkommen minderbemittelt.
» Das ist eine total tolle Bar in Neukölln. Komm doch mit!«, sagt der Eisengel und sieht mich auffordernd an. Ich merke, wie ich erröte. Und der Tino auch. Nicht richtig, aber ein klitzekleines bisschen.
» Ah«, mache ich.
Dann wird es hell und die U-Bahn fährt in den nächsten Bahnhof.
» Also, wir müssen hier raus«, sagt der Eisengel. » Überleg’s dir, ja? Bis später!«
» Tschüss«, sagt der Tino.
Und dann verschwinden die beiden im Gewusel auf dem Bahnsteig.
Die Türen schließen sich, die U-Bahn fährt wieder an, und mir fällt auf, dass wir am Halleschen Tor sind und ich hier hätte umsteigen müssen.
Mist, ein blöder.
Aber dann auch wieder nicht. Am Ende wäre dieses Gespräch draußen weitergegangen, und das hätte schlimm enden können.
Ich lehne mich zurück, spüre, wie es rumpelt, im Waggon, in meinem Herzen, in mir, und dann erst schnackelt es, und ich kapiere, was gerade eben passiert ist.
Vorausgesetzt, es ist wirklich passiert.
Ist es?
Habe ich gerade wirklich mit Tino gesprochen? Mit dem schönen Tino, dem ich seit zwei Wochen hinterhergeifere wie ein hungriger Straßenköter?
Okay, ich muss jetzt einfach wissen, wie mein Gesicht aussieht. Langsam, ganz langsam, wende ich mich meinem Spiegelbild in der Fensterscheibe zu, aber weil ich darin nichts weiter erkennen kann, nehme ich mein Handy aus der Tasche und mache ein Foto von mir. Dann betrachte ich mich.
Hm.
Gut, mein Handy ist nur ein altes, ziemlich schrottiges Nokia, entsprechend also die Bildqualität. Aber eigentlich sieht alles ganz normal aus, oder? Kein hängender Mundwinkel, keine Speichelfäden, keine Nosferatu-Mimik. Gut, die eine Wange ein bisschen geschwollen, aber nicht so, dass es wahnsinnig auffällig ist. Klar, besonders erotisch sehe ich auch nicht aus, aber wegsperren müsste man mich auch nicht.
Gott, bin ich erleichtert. Ich sehe tatsächlich vollkommen anders aus, als ich mich fühle.
Ich packe das Handy wieder weg, steige an der nächsten Haltestelle aus und beschließe, die U7 zum Hermannplatz zu nehmen. Von dort ist es zwar ein Stück zu laufen, aber ich will vermeiden, dass mir der Tino gleich
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