Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Breznkönigin: Roman (German Edition)

Die Breznkönigin: Roman (German Edition)

Titel: Die Breznkönigin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
Vom Netzwerk:
das mit Schnitzereien verzierte Treppengeländer, die antiken Lampen mit den hässlichen Energiesparbirnen. Mit einem Mal habe ich das Gefühl, dass heute etwas anders ist als sonst, dass irgendetwas nicht stimmt. Es ist, als wäre das gar nicht mein Treppenhaus, sondern nur eins, das meinem ähnlich sieht. In Wirklichkeit hat sich natürlich überhaupt nichts verändert, auf den Klingelschildern stehen die richtigen Namen, aber trotzdem … Und plötzlich weiß ich, was mit dem Haus nicht stimmt. Ich werde hier nicht länger wohnen können, das ist der Fehler. Denn meine Wohnung da oben gehört dem Quirin, und der Quirin und ich, wir sind von heute an geschiedene Leute.
    Verdammt. Ich muss unbedingt hoch zu Tino.
    Die letzten Stufen laufe ich immer schneller. Oben angekommen, ziehe ich meinen Schlüsselbund aus der Tasche und fingere zwischen den Schlüsseln aus dem Wirtshaus und denen von daheim in Mingharting nach dem für diese Wohnung. Ich stecke ihn ins Schloss, drehe ihn um und stoße sanft die Türe auf.
    Gelächter schallt mir entgegen. Und Musik.
    Ich halte inne. Der Tino hat schon wieder Leute mitgebracht. Als sei das hier seine Wohnung.
    Ach, Männo, ich will das jetzt nicht!
    Ich wische mir enttäuscht über die Augen, die richtig brennen, so müde bin ich.
    Aus dem Gelächter, das aus mehreren Stimmen besteht, schält sich jetzt eine einzelne heraus – die vom Tino. Ich stehe immer noch im Flur und kann nicht sehen, was im Wohnzimmer geschieht, denn die Türe ist angelehnt. Aber ich höre ihn. Laut und deutlich.
    » Liabä Fonny, als i gestern bei eich …«
    Der Tino lacht, die anderen stimmen mit ein.
    Und mir, mir bleibt fast das Herz stehen.
    » Als i gestern bei eich driaben im Wirtshaus war, hat mich dein Omilein ongeschaut und verachtlich die Nase gerümpft. › Geh, der Bua schaugt ja bloß no aus wiara Currywürstel!‹ Donn hot sie mir eine Portion Schweinsbrodn vor die Nose gesetzt und east Ruahe gegeben, als ich den dritten Kneddel-Nochschlog verputzt hatte, und zwar völlig.«
    Mein Blick fällt auf die Garderobe, deren Schublade weit offen steht. Tino hat sich die Postkarten vom Max genommen. Und jetzt liest er sie vor und macht sich über sie lustig, indem er Max’ Dialekt imitiert.
    Und meinen Dialekt. Es ist auch meiner.
    » Lass mich mal!«, sagt eine Frauenstimme.
    Es ist Dolores, na klar. Ich halte die Luft an und beiße mir auf die Lippe.
    » … und east Ruahe gegeben, als ich den dritten Kneddel-Nochschlog verputzt hatte, und zwar vollig. Jetzt schau i selbst aus wie oaner, und sieh do: Das fiehlt sich wohnsinnig guat on. Und duah? Wie läbt’s sick in Bärrliehn? Doan Mox«, rezitiert sie.
    Diese blöde Ziege. Mir steigen die Tränen in die Augen.
    » Nein, du kannst das nicht«, sagt der Tino. » Jetzat schauck i selbst aus wia oaner, und siehe do: Dös fühlt si wahnsinnig guat o. Und dua? Wie läbt’s si in Berlin? Dein Mox«
    Ich drücke mir die Hand auf den Mund, damit das Wimmern, das in mir steckt, nicht nach draußen dringt. Ich drücke fest und immer fester und kneife auch die Augen zu, doch die Tränen fließen trotzdem.
    Geh rein, Fanny. Mach dem ein Ende!
    Aber mein Körper versteift sich, und ich bleibe im Flur stehen wie festgenagelt, unfähig, mich auch nur einen Millimeter zu rühren.
    Ich muss mich dem stellen. Ich muss die Wahrheit hören.
    Die ganze Wahrheit.
    » Mach noch mal, was du vorhin im Buddha’s Belly gemacht hast.«
    Vorhin im Buddha’s Belly?
    Als er es nicht » geschafft« hat, ins Wirtshaus zu kommen?
    Der Tino lacht, dann höre ich, wie er sich räuspert und mit verstellter Stimme sagt:
    » Äh, ’tschuldigung, i hatt gern no so an Schweinsbauch.«
    Schlagartig höre ich auf zu weinen. Meine Hand sinkt nach unten und mein Mund öffnet sich, trotzdem kann ich nicht atmen, und mein Herz bleibt stehen.
    Mit diesen Worten habe ich eine weitere Portion von diesem leckeren Schweinebauch bestellt. An Tinos Geburtstag.
    Er hat mich nachgemacht. Mich. Und nicht einmal richtig. Es heißt Schweinebauch, nicht Schweinsbauch und es heißt hätt statt hatt, auf Hochdeutsch genauso wie auf Bayerisch. Ich merke, wie sich meine Kiefer vor Wut verhärten, wie sich meine Schultern anspannen, wie sich meine rechte Hand zur Faust ballt und sich bereit macht, auf den Tisch zu hauen.
    Ich muss da reingehen. Ich muss. Aber ich stehe einfach nur da und lausche, wie die letzte, dümmste, idiotischste Masochistin.
    Was fällt denen denn noch ein?
    Jetzt versucht auch

Weitere Kostenlose Bücher