Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
wiederhole ich mahnend. » Ich werde das kontrollieren.«
» Klaro.«
» Und verlass dich nicht darauf, dass meine Familie danach noch Lust hat, noch irgendwas hierhin zu liefern. Es gibt da garantiert eine Ausstiegsklausel für solche Fälle, und dann kann sich dieser Strizzi seine Würstel selber drehen!«
» Macht, was ihr wollt«, sagt der Quirin. » Das ist nicht mehr meine Sache.«
Ich sehe ihn an und fühle mich mit einem Mal so leer wie ein Heißluftballon, dem der Treibstoff ausgegangen ist und der langsam auf dem Boden in sich zusammensinkt. Ich muss wieder daran denken, wie dieser Mistkerl im letzten Herbst bei uns angetanzt ist und uns kollektiv die Köpfe verdreht hat. Er hat uns mitgerissen mit seiner Idee, und wir, wir haben ihm blindlings vertraut, einfach, weil wir keine misstrauischen Zyniker sind, sondern naiv und freundlich und arglos. Ich meine, klar, wir haben schon bemerkt, dass er gewisse diktatorische Züge hat, aber irgendwie war ich überzeugt davon, dass er in Wirklichkeit ein ganz feiner Kerl ist.
Tja. Und jetzt das.
Ich kann es kaum glauben.
» Sag mal, Quirin, nur noch eine allerletzte Frage, bevor wir uns hoffentlich nie, nie wieder sehen: Findest du das eigentlich in Ordnung? Nur, weil es rechtens ist?«
Ich sehe ihm prüfend in die Augen, und er wendet seinen Blick ab.
» Ach, Fanny«, sagt er.
» Verstehe«, nicke ich.
Und dann gehe ich.
24
Es ist ohne Scheiß fast halb vier Uhr morgens, als ich endlich den Landwehrkanal überquere und die Straße hinab nach Hause stolpere. Was für ein Tag! Ich bin so fertig wie noch nie zuvor in meinem Leben. Quirin, dieser Mistkerl! Einfach das Wirtshaus zu verkaufen! An irgend so einen dahergelaufenen Strizzi aus Rostock!
Ich fasse es immer noch nicht so richtig.
Schon klar, ich kenne den Kerl natürlich überhaupt nicht, aber irgendwie hab ich es so dermaßen im Urin, dass dieser Wechsel nichts Positives bringen wird, dass es mich im ganzen Körper kribbelt. Ein Wirt, der seine Servicekräfte in billige Dirndl steckt und seinen Gästen statt ordentlichem Essen eine schäbige Touri-Show serviert? Wenn der diese Nummer aus dem Hofbräuhaus auch nur zu einem halben Prozent bei uns einführt, dann ertrage ich das nicht. Dann muss ich kündigen, ehrlich.
Eigentlich müsste ich schon jetzt kündigen. Einfach, um ein Zeichen zu setzen. Hallo? Ich lasse mich doch nicht mit Füßen treten!
Einen Augenblick lang schwillt mir jetzt richtig die Brust an, und mein Gang, der eben noch wütend und stampfend gewesen ist, verwandelt sich in ein stolzes Schreiten. Aber dann verliere ich den Mut wieder. Und wenn ich kündige? Was dann?
Ich bräuchte einen neuen Job. Aber welchen? Als irgendeine doofe Kellnerin in einem Lokal, mit dem ich überhaupt nichts zu tun hab?
Bei dem Gedanken zieht sich alles in mir zusammen, die Brust, der Magen, das Herz.
Nein, irgendwo kellnern, das ist nichts für mich. Wenn ich schon serviere, dann Essen, hinter dem ich stehen kann. Dim Sum durch die Gegend zu tragen, da käme mir ja mein ganzes Leben verkehrt vor. Schon bei der Vorstellung wächst in meinem Hals ein riesengroßer, hackfleischgefüllter Dumpling.
Ach, das ist doch alles ein riesengroßer Mist. Ich will nur noch heim zum Tino und mich ausheulen. Ich hab ihm ja auch schon längst verziehen. Ich meine, diese Sache mit der Kette heute Morgen, war die am Ende nicht doch einfach bloß lächerlich? Eine Kleinigkeit, wenn man es mit ein bisschen Abstand sieht? Sie war lächerlich. Eine Lappalie. Vor allem jetzt, in diesem Augenblick, in dem ich mich so sehr nach einem starken Arm sehne. Nach jemandem, der mir zuhört, und der versteht, wie wahnsinnig fertig ich bin.
Und ich bin fertig. Den Tränen nahe.
Und ich fange fast wirklich an zu heulen, als ich zum Dachgeschoss hinaufblicke und sehe, da oben brennt noch Licht.
Wie hat er in seiner SMS geschrieben? Ich warte zu Hause auf dich.
Er hat wirklich auf mich gewartet. Ich schlinge die Arme um meinen Körper, und es fühlt sich beinahe so an, als würde er mich drücken. Ach, mein lieber, lieber Schatzi.
Zum Glück gibt es nur ein Schwein in meinem Leben, und das werde ich hoffentlich so bald nicht wieder sehen.
Ich sperre die Haustür auf und mache mich an den langen Aufstieg ins Dachgeschoss. Ich beeile mich, so gut es geht, aber die Müdigkeit steckt mir in den Gliedern, und so nehme ich Stufe um Stufe um Stufe, betrachte den roten Sisalteppich, der in jedem dritten Berliner Treppenhaus liegt,
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