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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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stand. Wer war das? Überhaupt, die Küche war leer! Wo waren Ruth und die anderen?
    »Catherine«, sagte eine weiche Frauenstimme.
    Sie erschauderte. Anne, Sir Latimers Frau. Hatte sie vom |303| Fenster aus gesehen, wie die beiden aus der Kapelle getreten waren? Hatte sie Catherines beschwingte Schritte bemerkt? »Ja«, brachte sie hervor.
    »Thomas hat mir erzählt, er würde dich zum Erzbischof schicken, um zu verhandeln.«
    »Ja, Mylady.«
    »Ich glaube nicht, daß Courtenay auf den Vorschlag eingehen wird, den du im Auftrag von Thomas unterbreiten sollst. Man muß ihm mehr bieten. Nimm diesen Brief mit dir. Ich übertrage dem Erzbischof darin im Austausch gegen Doktor Hereford meinen Teil von Broseley, Shropshire, und ein Drittel der Einkünfte von Milnehope Manor. Thomas soll nichts davon wissen, er würde sagen, wir werfen der Kirche kein Geld in den Rachen. Wirst du den Brief als kleines Geheimnis zwischen zwei Frauen betrachten?«
     
    Erst als die Burg in ihrem Rücken lag und sie die Karpfenbecken passierte, wurde Catherine bewußt, in welche Gefahr sie sich begab. Man würde auf sie schießen, bevor sie sagen konnte, wer sie war. Wie leicht löste sich einem unruhigen Posten der Pfeil von der Sehne! Überlebte sie, dann würde man sie für unzüchtige Späße mißbrauchen, wie sie die Söldner gern trieben. Wer konnte glauben, daß sie als Unterhändlerin kam? Eine Unterhändlerin mit einem Säugling auf dem Arm!
    Es platschte bei den Becken. Ein Pfeil, der sie verfehlt hatte? Ein Warnschuß? Es hat nur ein Fisch nach einem Nachtfalter geschnappt, redete sie sich ein. Oder die Karpfen balgen sich.
    Der Mond hatte sich inmitten schwarzer Wolken hinter ein silbernes Tuch geflüchtet. Sterne waren nicht zu sehen. Catherine hielt sich mit Mühe auf dem Weg. Immer wieder trat ihr ein Baum in den Weg oder der Weidezaun. Alles schien enger zu sein, die Dinge bedrohten sie, zwangen sie, Bögen zu laufen, sich von Hindernis zu Hindernis zu tasten. Weit hielt sie die Augen aufgerissen. Sie horchte. Sie schrak zusammen, als ganz in der Nähe ein Schrei gellte, sie hatte gehorcht, um |304| nichts zu vernehmen, sie hatte nicht erwartet, daß es ein lautes, ein unheilkündendes Geräusch geben würde, und nun dieser Schrei, und kurz darauf das Zerschellen eines Gefäßes, was geschah dort? Es mußten die ersten Häuser sein. Hatte man die Söldner bei den Dorfbewohnern einquartiert, und eine Frau mußte sich ihrer erwehren?
    Catherine konnte in einiger Entfernung die Zelte sehen. Feuerschein leuchtete an ihnen empor. Pferde schnaubten. Auf und ab huschten die Schatten von Fledermäusen. Das Feuer lockte Käfer und Nachtfalter an, und die Fledermäuse machten Jagd auf sie.
    »Halt! Wer da?« Aus dem Nichts zu ihrer Linken fiel sie die Stimme an. Sie konnte niemanden sehen. Hier war es dunkel.
    »Catherine Rowe, eine Brillenmacherin.«
    »Geh in dein Haus«, befahl die Stimme.
    »Ich wohne hier nicht. Ich muß zum Erzbischof.«
    »Wie bist du durch die Sperren gekommen?« Die Stimme klang verärgert. Aus dem Dunkel tauchte ein Gesicht auf, darunter ein Sauspieß.
    »Ich komme aus der Burg.«
    »Wie …?« Das Gesicht starrte erst auf sie, dann auf Hawisia. »Du entschlüpfst der belagerten Burg, um mitten in der Nacht den Erzbischof zu besuchen? Willst du dein Kind segnen lassen, oder was? Weibsvolk! Ich fasse es nicht!«
    »Nun, darf ich zu ihm?«
    »Bist du des Wahnsinns? Seine Exzellenz hat anderes zu tun. Besuche ihn in Canterbury in ein paar Wochen, vielleicht hast du nach der Messe an der Kirchenpforte Glück, und er spendet deinem kleinen Balg den Segen. Hier im Kriegslager hast du nichts verloren.«
    Auf Courtenays Segen kann ich verzichten, dachte sie. Wer stillt seinen Durst an einem vergifteten Brunnen? »Ich muß zu ihm, sofort. Ich arbeite für ihn.«
    Der Wächter lachte. »Und ich bin Papst Urban der Sechste. Hör mal, Täubchen, hast du einen Vater für dein Kind? Wenn das schwache Nachtlicht nicht täuscht, bist du hübsch anzusehen. |305| Und du weißt, was du willst, das muß man dir lassen. Ich habe dort im Gebüsch ein wenig Würzwein –«
    »Wage es nicht, mich anzurühren.« Sie zog den Brief aus Hawisias Hemdchen. »Was glaubst du, was mit dir geschieht, wenn man morgen bei Sonnenaufgang in deinem Gebüsch dieses Schreiben entdeckt?«
    »Ein Schreiben?«
    »Ich sage es noch einmal, sperr die Ohren auf: Ich arbeite für Erzbischof Courtenay. Er hat mich als Spionin in die Burg Latimers

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