Die Brillenmacherin
brechen, was es nicht gibt.« Anne wandte sich um und sah ihn an. »Wir waren nie wirkliche Partner. Unsere Ehe lief vom ersten Tag an fehl. Möchtest du wissen, warum?«
»Anne, bitte. Du hast recht, ich bin ein wenig verwirrt. Ich verspreche dir, es geht rasch vorüber.« Er stockte. »Die Wahrheit ist …« Wie schwere Steine wuchtete es sich aus seiner Kehle. »Die Wahrheit ist: Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist.«
»Diese Ehe konnte nicht gelingen, weil du mich nie wirklich wahrgenommen hast. Erst mußtest du dich um das Erbe in Rutland und Somerset kümmern, dann bist du im Gefolge des Schwarzen Prinzen in den Krieg gezogen, in die Gascogne und nach Spanien, bis nach Spanien bist du gereist, und ich wartete hier in den englischen Midlands auf dich! War es nicht Spanien, dann war es eine Bretonische Expedition, war es keine Bretonische Expedition, dann mußtest du königlicher Friedensrichter werden. Du hast dich nie darum geschert, daß du verheiratet warst, es hat dich einfach nicht interessiert, wen man hier an deine Seite geschmiedet hatte.«
»Das ist nicht wahr.«
»Nein? Dann sage mir, wer bin ich? Wenn du wirklich mein Ehemann bist, mußt du mich doch kennen. Wer steht hier vor dir? Wer ist Anne von Ashley?«
|316| Sie drängte ihn mit den Vorwürfen an die Wand. Sein Gesicht erhitzte sich, nicht vor Verlegenheit, nein, er wurde wütend. Wer gab ihr das Recht, hier hereinzumarschieren und ihm die Schuld am Scheitern ihrer Ehe zu geben? »Wir sind ausgeritten.«
»Zu Anfang.«
»Ja, zu Anfang. Und ich habe nach deiner Seele gesucht. Erinnerst du dich, wie zärtlich ich dich in der Nacht umarmt habe? Wie ich dich gestreichelt und geküßt habe, als wärst du eine Prinzessin? Du bist kalt geblieben. Nie hast du dich gefreut, nie bist du verzweifelt. Ich kann dir sagen, wer du bist! Du blickst mit Erhabenheit und Verachtung auf die Welt. Erkläre mir, wie soll ich einen solchen Menschen kennenlernen? Du warst es doch, die mich von sich gestoßen hat!«
»Dich von mir gestoßen? Nacht um Nacht habe ich geweint, als ich merkte, wie du dich von mir zurückzogst. Vielleicht war ich nie ein junges Heißblut wie dieses Luder von einer Brillenmacherin, aber ich habe mich verzehrt vor Liebe und gemartert, weil du mich nicht liebtest.«
»Davon hätte ich etwas gemerkt.«
»Das ist es! Eben das ist es! Du konntest nichts merken. Du hast mich behandelt, als würde es mich nicht geben. Sieh mich an – hast du je daran gedacht, daß ich einmal ein kleines Mädchen war mit einer Amme, die es betreute, mit Freundinnen und Träumen und kleinen Stickereien in verfluchten seidenen Taschentüchern? Hast du daran gedacht, daß ich vielleicht gern einmal verreisen würde –«
»Du bist verreist, und zwar oft genug. Nach Ashley, hieß es. Was weiß ich, welchen Liebschaften du da nachgegangen bist.«
»Allein bin ich gewesen. Sage mir, welcher Ritter und Edelmann läßt seine Frau allein in die Fremde reiten?«
»Es war dein Wunsch.«
»Viel lieber wäre ich mit dir zusammen verreist, nach London, oder wenn es nur Leicester gewesen wäre!«
»Was wirfst du mir vor? Daß ich deine Wünsche nicht erraten habe?«
|317| »Ich hätte sie vom Burghof in den Himmel hinauf schreien können, du hättest es nicht gehört. Das werfe ich dir vor.«
»Das ist doch lachhaft.«
»Ja, lachhaft«, sagte sie leise. Und plötzlich verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse.
Er erschrak. Er hatte nicht gewußt, daß sie überhaupt in der Lage war, solche Schmerzen zu fühlen. Vielleicht hatte sie recht, vielleicht kannte er sie überhaupt nicht.
»Ist es«, flüsterte sie, »weil sie ein Kind hat?«
»Unsinn.«
»Ich hätte dir auch eines schenken können, wenn du nicht so schnell aufgegeben hättest. Ich spüre das. Ich kann Kinder bekommen.« Sie floh aus dem Zimmer, auf der Treppe hörte er sie schluchzen.
Wie Alan Hawisia aus ihrem Arm hob! Er griff behutsam zu, seine Hände umfaßten den Kinderkörper, und schon schwebte der kleine Mensch in die Höhe. Seine Hände waren kräftig, sie boten Sicherheit. Alan näherte Hawisia seinem Gesicht, schob sie von sich, näherte sie erneut seinen Augen.
Und die Kleine verzog den Mund zu einem ersten unbeholfenen Lächeln.
»Schau dir das an!« triumphierte er. Er schwenkte Hawisia umher. »Sie freut sich, mich zu sehen.«
Catherines Kehle verengte sich. Warum war sie nicht froh darüber, daß es der Tochter gutging?
»Ist das der Onkel Alan? Ist das der liebe
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