Die Brillenmacherin
dann zu Sligh hinüber, bevor sein Blick zu ihr zurückkehrte. »Was gibt es?«
»Eigentlich bin ich wütend auf dich, weil du mich an Courtenay verraten hast, obwohl du mir versprochen hattest zu schweigen.«
»Wie meinst du das, an Courtenay verraten? Ich habe geschwiegen! Obwohl ich denke, es wäre besser, wenn seine Exzellenz dir den verwirrten Kopf geraderücken würde.«
»Du hast geschwiegen? Wie konnte Courtenay dann wissen, daß ich auf Latimers Seite stehe?«
»Das wirst du schon selbst beantworten müssen. Wahrscheinlich hast du dich verplappert irgendwann. Es ist besser so, wenn er Bescheid weiß. Er will dir nur helfen, Catherine! Was ist eigentlich schiefgelaufen da oben? Du solltest doch den Ritter an das Fenster holen und nicht seine Frau.«
»Ich habe ihn fortgestoßen.«
»Wie bitte?«
»Ich wollte nicht, daß er stirbt. Er ist ein guter Mann.«
Alan fuhr auf. Die Ketten rasselten, sie hielten ihn fest. »Schwester, du bist von Sinnen! Hast du nicht langsam begriffen, was hier gespielt wird? Schau dir Repton an! Er hat Sir Latimer vertraut, und wo ist er damit gelandet? Latimer ist es, der lügt und betrügt, nicht Courtenay. Er hat sein Wort gebrochen. Welcher Ritter würde das tun, wenn er noch einen Rest Glauben an Gott in sich trägt?«
|376| »Alan, du mußt morgen auf der Seite von Sir Latimer kämpfen.«
»Einen Dreck werde ich tun.«
»Also nimmst du es hin, daß Hawisia stirbt? Daß ich sterbe?«
»Was redest du für einen Unsinn?«
»Ich habe mit dem Captain gesprochen. Es sieht nicht gut aus für Braybrooke Castle. Der Erzbischof wird morgen angreifen, und er wird siegen.«
»Wunderbar! Dann dauert es nicht mehr lange, bis Latimer auf dem Scheiterhaufen steht und wir hier freikommen.«
»Courtenay wird niemanden befreien. Er wird die Burg schleifen. Zerstörung und eine furchtbare Schlacht wird es geben. Meinst du wirklich, der Erzbischof macht sich die Mühe und sagt allen seinen Rittern und Bogenschützen und Waffenknechten, wie ihr ausseht und daß sie euch am Leben lassen sollen?«
»Natürlich tut er das. Wir sind wichtig für ihn.«
»Alan«, mischte sich Repton ein, »ich sage es ungern, aber Catherine hat recht. Ich kenne Courtenay. Wenn die Burg gestürmt wird, läßt er die Häuser anzünden. Rechne besser nicht damit, daß er ein Löschkommando aufstellt, damit uns nichts geschieht, oder daß er überhaupt einen Gedanken daran verschwendet, uns zu befreien.«
»Was schlägst du also vor, du neunmalkluger Überläufer? Soll ich es machen wie du und je nach Lage die Seite wechseln? Ich bin kein verruchter Verräter, verstanden?«
Repton sah Alan an mit unbewegtem Gesicht. »Aber sterben willst du auch nicht, oder?«
»Natürlich nicht.«
»Dann laß mich etwas vorschlagen. Catherine, ich weiß um ein Geheimnis, das Braybrooke Castle viel eher retten könnte als Alans Schießkünste. Courtenay plant keinen gewöhnlichen Angriff. Wenn du wissen willst, was er vorhat, erwarte ich eine Gegenleistung.«
»Und die wäre?«
|377| »Du mußt uns helfen zu fliehen.«
»Unmöglich.« Sie sollte Thomas erneut hintergehen? Nie wieder würde er ihr vertrauen, schlimmer, er würde sie ohne Gnade bestrafen, wenn sie ihm in den Rücken fiel, indem sie Repton und Sligh und Alan befreite. Sligh befreien! Den, der Elias gemordet hatte, unter den luftigen, klaren Himmel setzen! Niemals. »Wenn das Geheimnis wirklich soviel wert ist, wird Sir Latimer es gern gegen eure Freiheit eintauschen. Ich hole ihn, dann kannst du das mit ihm abmachen.« Sie stand auf.
»Warte!« Repton hob die knochige Hand mit der Eisenschelle. »Siehst du das?« Er wies auf die Ketten. »Erwartest du allen Ernstes, daß ich Thomas vertraue, nachdem er einmal sein Wort gebrochen hat? Entweder du schließt das Geschäft mit uns ab, oder diese Burg geht unter und wir mit ihr.«
Sligh sagte: »Er wird dir dankbar sein. Wenn er durch deine Hilfe siegt morgen, wird ihm das doch tausendmal lieber sein als drei Gefangene.«
»Mit dir rede ich nicht, Meuchler. Repton, sage mir, ist das Geheimnis so groß, daß es uns den Sieg schenken würde?«
Er nickte. »Gut möglich.«
»Warum würdet ihr Courtenay derartig schaden? Meint ihr, ich bin so blöd?«
»Wir wollen leben«, sagte Repton.
»Ich kann euch sowieso hier nicht herausbringen.«
»O doch, das kannst du.« Aus Slighs sackartigem Hals quakten die Worte kehlig hervor. »Wir brauchen drei Dinge: eine Zange, um die Eisenstifte aus den Handschellen zu
Weitere Kostenlose Bücher