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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hinausgeworfen, da sitzt jetzt genauso einer der Ihren. Ich sage Euch, wenn wir die nächsten Jahre durchstehen, dann nur in hartem Kampf. Sprecht, man sagte mir, Ihr wollt den König sehen? Ich hoffe«, sein Blick wanderte von einem zum anderen, den Kammerrittern nickte er zu, »es ist nicht, was ich denke. Eine stattliche Zusammenkunft von Rittern fahrt Ihr da auf.«
    Natürlich erkannte Simon Burley jeden einzelnen von ihnen, daran zweifelte Thomas nicht. Wer von edlem Blut war, hatte unter der strengen Hand des Vaters die Wappen aller Prinzen, Herzöge, Grafen, Barone und Ritter auswendig gelernt, einige hundert Farben und Bilder, die er auf dem Schlachtfeld mit der Geschwindigkeit eines Augenaufschlags zu unterscheiden und zuzuordnen wußte. Und Sir Burley war erfahren wie ein alter Wolf.
    Bei ihm, Latimer, mochte er denken: Friedensrichter in Northamptonshire. Hatten sich nicht bei Montagu seine Augen geweitet? Er war ein über die Landesgrenzen hinaus berühmter Dichter. Fragte sich Sir Burley, warum Clifford und Montagu die Ordenstracht trugen? Vielleicht erstaunte ihn auch der kurze Mantel John Cheynes, den die goldenen Kreise des Hauses Cheyne und die schwarzen Holzscheite der mächtigen Deincourts schmückten, im Zickzack von einem schwarzen Querbalken durchbrochen. Oder er wunderte sich |404| über die Anwesenheit Richard Sturrys. Es konnte kein Lausbubenstreich sein, wenn Sturry dabei war mit seinen knapp siebzig Jahren, ein alter Held der Seekriege, er traf keine heißblütigen Entscheidungen, zumindest Sturry mußte besonnen sein.
    Latimer wünschte, hinter die Stirn des königlichen Lehrmeisters blicken zu können. Es zeigten sich Falten darauf, seine Gedanken mochten nicht die besten sein.
    »Wir können unseren Bund nicht länger geheimhalten«, sagte Nevill.
    Burley hob die Brauen. »Wenn ich diese Tür öffne, dann lauft Ihr in Euer Verderben. Ich weiß, was König Richard über Euren Glauben denkt. Macht Ihr ihn öffentlich, so zwingt Ihr ihn zu einer Entscheidung. Es wird üble Folgen haben.«
    »Wenn der König uns verurteilt«, meldete sich Sturrys alte, rauhe Stimme, »dann soll er alle verurteilen. Ist es der Untergang, gehen wir gemeinsam unter.«
    Clifford sah den Lehrmeister durchdringend an. »Wirst du uns unterstützen, Simon?«
    »Willst du meine ehrliche Einschätzung haben? Ihr betreibt Selbstmord.«
    »Wir werden uns bemühen, dich nicht hineinzuziehen. Hilf uns, wenn du kannst, aber tue nichts, was du später bereuen würdest.«
    Jetzt gehen wir nicht mehr zurück! dachte Latimer. Jetzt nicht mehr! In einem Nebengelaß wartete Catherine, sie würde bezeugen, daß Courtenay ein hinterhältiger Mordbrenner war, falls es dessen bedurfte. Der König mußte auf ihre Seite zu ziehen sein. Thomas wies zur Tür. »Dürfen wir?«
    Sir Simon Burley öffnete.
    Die Ritter machten zwei Schritte in den Raum hinein, dann knieten sie nieder und senkten die Köpfe.
    »Vier meiner Kammerritter, dazu ein Cheyne, ein Montagu, ein Latimer. Ihr erstaunt mich.« Der König sprach kühl, er nahm nicht recht die Zähne auseinander beim Sprechen, als |405| wären die Worte eine Mundbewegung nicht wert. »Erhebt Euch.«
    Latimer sah sich irritiert um. Die Wände waren vom Boden bis zur Decke mit einem filigranen, sich tausendfach wiederholenden Muster von Blau und Gold bemalt, es ließ den Augen keine Ruhe, sie mußten springen und kreisen und kreisen und springen. Mit Mühe konzentrierte er sich auf den König. Dessen weit fallender, roter Mantel biß nicht minder heftig den Blick. Es sah aus, als wollte der König auffahren wie eine Bestie. In seinem frauenhaften, schmalen Gesicht lag Tücke.
    Aber Latimer hatte darüber nachgedacht, was er sagen würde. Er war vorbereitet. Nichts würde ihn aus der Ruhe bringen. »Darf ich sprechen, Majestät?«
    Eine lässige Bewegung mit der Hand, die ebensogut sagen konnte: Verschwinde!, wie sie sagte: Sprich!
    »Wie ich hörte, besitzt die Königin eine Bibel in Böhmisch, Deutsch und Latein.«
    »So ist es. Aber das interessiert mich nicht sonderlich. Viel spannender ist, worüber ich gerade nachdachte – daß italienische Händler wieder vermehrt auf Wolle aus Flandern zurückgreifen, seit der Aufstand von Gent beendet ist. Was haltet Ihr davon?«
    »Schlecht für uns, Majestät.«
    »So ist es. Allerdings raunt man, daß die Webereien der Toscana, die ja nur Vliese bester Qualität kaufen, bald auf direktem Wege über Venedig Handel mit England treiben werden. Die

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