Die Brillenmacherin
Mundwinkel. Sie bemerkte, daß Catherine sie ansah, und drehte den Kopf zu ihr. Die Blicke trafen sich. Die kleinen Ärmchen hüpften auf und nieder, Hawisia lächelte und zog dabei die Nase kraus. Catherine schaukelte die Kleine, tanzte mit ihr ein paar Schritte. Hawisia gluckste fröhlich. Welches Geschenk dieses Kind doch war!
Überhaupt sah der Garten freundlich aus. Es lag am Licht.sWar es nicht wundersam, wie es die Farbe veränderte im Laufe des Tages? Am Morgen leuchtete gelbe, süße Kraft, zum Mittag donnerte weiße Helligkeit herab, am Abend erwärmte sie sich zu fließendem Rot. Die Abendfarbe mochte Catherine am liebsten. Bald würde es Abend werden; das Licht weichte bereits auf, die Sonne stand schräg und blinkte sanft auf den Kirschen.
Sie entsann sich der vielen kleinen Sonnen, die den Boden ihrer Werkstatt in Newstead Abbey bemalt hatten. Dann dachte sie an das Loch im Vorhang, an die Kerzenflammen, an den kopfstehenden Widerschein der Dinge jenseits des Vorhangs. Das Bild war nur schwach gewesen, weil wenig Licht durch das Loch hindurchschlüpfen konnte. Vergrößerte man es aber, käme überhaupt kein Bild mehr zustande, es wäre zu unscharf, genau das war der Grund, weshalb dieses Phänomen noch niemandem aufgefallen war: Fenster waren zu groß, selbst Schlüssellöcher. Wie ließ sich mehr Licht durch das kleine Loch locken?
|412| Eine Scheune mit moosbewachsenem Dach zeigte sich zwischen den Bäumen. Sie mußte alt sein. Die morsche Bretterwand war durchlöchert, Schwalben flogen ein und aus. Wie wohl das Licht durch die Ritzen der Wand nach innen fiel?
Stimmen hinter ihr. Sie sah sich um. Die Ritter kamen.
Seit sie beim König erfolgreich gewesen waren, erschien ihr der Männerbund wie eine Bande fröhlicher Jungs. Sie trieben Scherze mit ihr, sie lachten über dumme Versprecher, sie tobten umeinander herum, als hätten sie überschüssige Kraft, die irgendwie herausgelassen werden mußte. Lachend hatten sich Sturry, Clanvow, Clifford und Montagu verabschiedet, und sie war mit Sir Latimer, Sir Nevill und Sir Cheyne nach Canterbury gereist.
»Sir Latimer!« Sie winkte. »Unreife, grüne Kirschen gefällig?«
Aber die Ritter lachten nicht. Die drei blickten böse. War die Audienz nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen?
Dann ein Schrei. »Catherine!«
Sie wirbelte herum.
Zwischen den Bäumen kam Alan gerannt. Er hielt die Hände merkwürdig vor der Brust verknäult, waren sie gefesselt? Er stolperte, raffte sich auf. Rannte weiter. »Catherine! Sieh dich vor! Sie lauern dir auf!«
»Wer lauert mir auf?«
Aus der Scheune trat ein Mann. Dickleibig, ohne Kinn. Er kam auf sie zu mit blankem Schwert. War das Sligh? Sie weitete die Augen.
»Lauf, Catherine!« rief Alan. Er erreichte Sligh, warf sich ihm in den Weg.
Sligh durchbohrte Alan mit dem Schwert, es fuhr aus dem Rücken wieder heraus, eine eiserne Zunge, die ihn durchleckte. Blut spritzte auf die Wiese. Sligh zog das Schwert wieder aus Alans Leib, ein fürchterliches Geräusch von reißendem Fleisch. Alan brach zusammen. »Dummkopf«, sagte Sligh.
Er kam näher. Fünf Schritte. Vier. »Wer hätte das gedacht, |413| Catherine? Erst dein Mann, dann dein Bruder, und zum Schluß du.« Er lächelte.
Die Beine wollten ihr nicht gehorchen. Lauf! befahl sie sich. Endlich warf sie sich herum und rannte.
»Es ist zwecklos«, brüllte Sligh hinter ihr. »Bleib stehen!«
Hinten zwischen den Bäumen standen die Ritter. Sie zogen ihrerseits die Schwerter. Dort wartete Rettung. Sie preßte Hawisia an sich und lief um ihr Leben. Das Keuchen Slighs folgte ihr. Es zischte in ihren Ohren, sie konnte fühlen, daß seine Hand nach ihrem Genick ausgestreckt war, sie spürte die Schwertspitze nur wenige Fingerbreit von ihrem Hals entfernt.
Und plötzlich verstummte er. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, stürmte mit unverminderter Kraft weiter zu den Rittern hin, die ihr entgegenkamen.
»Er flieht«, rief Sir Latimer, »dort, zur Scheune!« Die Ritter eilten an ihr vorüber.
»Du hast die Frau nicht erwischt.«
»Das macht nichts«, ächzte Sligh. »Wenn wir die Ritter erschlagen haben, ist sie eine leichte Beute.« Die Sonne hatte ihn geblendet. Nun war es noch dunkler in der Scheune. Er sah nichts bis auf die staubigen Lichtstrahlen, die durch die Ritzen fielen. Gut so. Den Rittern würde es genauso gehen.
»Wer sind diese Männer?«
»Schert euch nicht darum. Wir sind zwölf, sie sind drei. Es wird ein Kinderspiel.« Wo blieben sie,
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