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Die Brooklyn-Revue

Die Brooklyn-Revue

Titel: Die Brooklyn-Revue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Kleinigkeiten auszuarbeiten, und solange das Geschäft nicht unter Dach und Fach ist, ist es sinnlos, allzu große Erwartungen zu hegen.»
    «Ich habe ein wenig Geld auf der hohen Kante. Genau genommen eine ganze Menge. Falls du noch einen Investor brauchst, würde ich vielleicht einsteigen.»
    «Das ist sehr großzügig von dir, Nathan. Zum Glück bin ich nicht auf einen Teilhaber angewiesen. Aber das heißt nicht, dass mir dein Rat nicht willkommen wäre. Ich bin einigermaßen von der Ehrlichkeit meiner Geschäftspartner überzeugt – aber eben nicht hundertprozentig. Und Zweifel sind eine große Last, besonders wenn so viel auf dem Spiel steht.»
    «Wie wär’s dann, wenn wir zwei uns nochmal allein zum Essen treffen? Dann erklärst du mir die Sache ganz ausführlich, und ich sage dir, was ich davon halte.»
    «Nächste Woche?»
    «Nenn einfach einen Tag, und ich komme.»

VON DER DUMMHEIT DER MENSCHEN ( 2 )
    A m nächsten Morgen um elf betrat ich ein Schmuckgeschäft bei mir in der Nähe, um eine Ersatzkette für Rachel zu kaufen. Es war ein Sonntag, und ich wollte die S. p. M. nicht stören, bat aber die Verkäuferin ausdrücklich, mir alles zu zeigen, was sie von Nancy Mazzucchelli anzubieten habe. Die Frau erklärte lächelnd, sie sei eine alte Freundin von Nancy, und öffnete eine Vitrine, nahm acht oder zehn ihrer Arbeiten heraus und legte sie mir nacheinander zur Ansicht vor. Wie der Zufall es wollte, war die letzte Halskette nahezu identisch mit der, die jetzt nachts in der Kasse des Cosmic Diner schlummerte.
    Ich hatte vor, direkt wieder in meine Wohnung zurückzukehren. Beim Gang zu dem Laden waren mir ein paar Anekdoten eingefallen, und ich wollte unbedingt an den Schreibtisch, um sie meinem stetig wachsenden
Buch menschlicher Torheiten
einzuverleiben. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, die Einträge zu zählen, die ich bis dahin verfasst hatte, aber es dürften inzwischen um die hundert gewesen sein, und so, wie sie mir zuliefen, mich zu allen Tages- und Nachtstunden bestürmten (manchmal sogar im Traum), nahm ich an, dass ich noch genug Material für einige Jahre vor mir hatte. Wer jedoch musste mir über den Weg laufen, kaum dass ich den Laden verlassen hatte? Natürlich Nancy Mazzucchelli, die S. p. M. persönlich. Ich lebte jetzt seit zwei Monaten in der Gegend, hatte jeden Vor- und Nachmittag ausgedehnte Spaziergänge unternommen,hatte zahllose Geschäfte und Restaurants aufgesucht, hatte vor dem Circle Café gesessen und Hunderte von Leuten beobachtet, aber sie hatte ich bis zu diesem Sonntagmorgen noch nie in der Öffentlichkeit gesehen. Ich will nicht darauf hinaus, dass sie meiner Aufmerksamkeit entgangen war. Ich schaue mir jeden an, und hätte ich diese Frau (immerhin keine Geringere als die Königin von Park Slope) schon einmal gesehen, wäre sie mir im Gedächtnis geblieben. Jetzt, nach unserer improvisierten Begegnung letzten Freitag vor ihrem Haus, war mit einem Schlag alles anders. Wie ein Wort, das man spät im Leben seinem Wortschatz hinzufügt – und das man dann plötzlich an jeder Ecke vernimmt   –, sah ich jetzt plötzlich Nancy Mazzucchelli an jeder Ecke. Es begann mit dieser sonntäglichen Begegnung, und von da an verging kaum ein Tag, an dem ich sie nicht irgendwo sah – in der Bank, in der Post, auf der Straße, überall. Schließlich wurde ich ihren Kindern vorgestellt (Devon und Sam); ihrer Mutter, Joyce; und ihrem Mann, dem Geräuschemacher Jim, dem James Joyce, der nicht James Joyce war. Aus einer vollkommen Fremden entwickelte sich die S. p. M. rapide zu einem Fixpunkt meines Lebens. Auch wenn sie im weiteren Verlauf dieses Buchs nur noch selten erwähnt wird, ist sie doch immer anwesend. Man findet sie zwischen den Zeilen.
    An diesem ersten Sonntag wurde nichts Wesentliches gesprochen. Hi, Nathan; hi, Nancy; wie geht’s; nicht schlecht; was macht Tom; herrliches Wetter; schön, Sie zu sehen, und so weiter. Kleinstadtgeplauder im Herzen der großen Stadt. Das einzige erwähnenswerte Detail wäre die Tatsache, dass sie nicht ihre Latzhose trug. Es war ein ungewöhnlich warmer Tag, und Nancy trug eine Jeans und ein weißes Baumwoll- T-Shirt . Da sie das Hemd in die Hose gesteckt hatte, konnte ich sehen, dass ihr Bauch flach war. Das bedeutetenatürlich nicht, dass sie nicht schwanger war, aber selbst wenn sie sich im ersten oder zweiten Monat befand, hatte sie die Latzhose am Freitag jedenfalls nicht getragen, um ihren Bauch zu verbergen. Ich nahm mir vor, Tom

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