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Die Brooklyn-Revue

Die Brooklyn-Revue

Titel: Die Brooklyn-Revue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Anblick Balsam für meine Seele wäre. Nun also setzte ich mich schweren Herzens an einen freien Tisch und gab meine Bestellung bei Dimitrios auf, der meine abwesende Liebe vertreten musste. Wie immer hatte ich ein Buch in der Jackentasche (
Zenos Gewissen
, das ich mir auf Toms Empfehlung angeschafft hatte), und da ich an diesem Tag niemanden zum Reden hatte, schlug ich Svevos Roman auf und begann zu lesen.
    Nach zwei Absätzen klopfte der Ärger bei mir an die Tür. Ich habe bereits fünfzehn oder zwanzig Seiten zuvor darauf angespielt, und jetzt, da der Augenblick gekommen ist, wo ich davon zu sprechen habe, schaudert es mich bei der Erinnerung daran. Diese Person, dieses Etwas, das ich Ärger nenne, dieser Albtraum, der sich aus den Tiefen des Nichts erhob, erschien in Gestalt eines dreißigjährigen UP S-Boten , muskulös, gut gebaut und mit Zorn in den Augen. Nein,
Zorn
erfasst nicht ganz, was ich in dieser Miene sah.
Rage
trifft es vielleicht genauer, oder
Raserei
, wenn nicht gar
mörderische Wut
. Wie auch immer, als er ins Restaurant gestürmt kam und mit lauter, hitziger Stimme von Dimitrios zu wissen verlangte, ob Nathan da sei, Nathan Glass, war mir sofort klar, dass dieser personifizierte Ärger den Namen Roberto Gonzalez trug. Ebenso wusste ich, dass die Kette nicht mehr in der Kasse lag. Die arme Marina hatte vergessen, sie abzunehmen, als sie am Dienstagabend nachHause ging. Ein kleiner Fehler, mag sein, aber ich musste unwillkürlich daran denken, wie sie das Wort
bumm
benutzt hatte, als sie mein Geschenk abzulehnen versuchte, und als ich das mit Dimitrios’ Erklärung zusammenhielt, dass sie «die nächsten Tage nicht kommen» werde, konnte ich mich nur noch fragen, wie übel dieser Mistkerl sie zusammengeschlagen hatte.
    Marinas Mann pflanzte sich auf die Bank mir gegenüber und beugte sich über den Tisch. «Sind Sie Nathan?», fragte er. «Nathan Drecksau Glass?»
    «Richtig», sagte ich. «Aber mein zweiter Vorname ist nicht Drecksau. Sondern Joseph.»
    «Okay, Klugscheißer. Warum hast du das getan?»
    «Was denn?»
    Er griff in seine Tasche und knallte die Kette auf den Tisch. «Das.»
    «Das war ein Geburtstagsgeschenk.»
    «Für meine Frau.»
    «Ja. Für Ihre Frau. Was ist schon dabei? Marina serviert mir jeden Tag das Mittagessen. Sie ist eine wunderbare Frau, und ich wollte ihr meinen Dank erweisen. Trinkgeld bekommt sie auch jedes Mal von mir. Betrachten Sie die Kette einfach als ein besonders großes Trinkgeld.»
    «So was tut man nicht, Mann. Man macht nicht mit verheirateten Frauen rum.»
    «Ich mache nicht mit ihr rum. Ich habe ihr nur ein Geschenk gemacht, nichts weiter. Ich bin so alt, ich könnte ihr Vater sein.»
    «Einen Schwanz hast du aber, ja? Und Eier bestimmt auch.»
    «Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war noch alles da.»
    «Ich warne dich, Mister. Finger weg von Marina. DieSchlampe gehört mir, und ich bring dich um, wenn du sie noch einmal anquatschst.»
    «Sagen Sie nicht Schlampe zu ihr. Sie ist eine Frau. Und Sie haben verdammtes Glück, mit ihr verheiratet zu sein.»
    «Ich sage zu ihr, was ich will, Arschloch. Und das hier», sagte er, hob das Goldkettchen auf und ließ es vor meinen Augen baumeln, «diesen Scheiß kannst du morgen zum Frühstück essen.» Er packte es mit beiden Händen und riss es mit einem scharfen Ruck entzwei. Einige Perlen glitten von der Kette und sprangen auf dem Resopaltisch herum; andere blieben an seiner Handfläche kleben, und als er aufstand, schleuderte er sie mir ins Gesicht. «Das nächste Mal bring ich dich um!», brüllte er und stach wie eine geistesgestörte Marionette mit dem Finger auf mich ein. «Finger weg von ihr, du Schwein, oder du bist tot!»
    Inzwischen starrten alle im Restaurant uns an. Es geschah nicht jeden Tag, dass man sich zum Essen setzte und ein solch fesselndes Schauspiel geboten bekam, aber nachdem Gonzalez mir Bescheid gestoßen hatte, schien die Sache beendet. Dachte ich jedenfalls. Er hatte sich bereits von mir abgewandt und stapfte in Richtung Ausgang, aber der Weg zwischen den Tischen war eng, und bevor er endgültig verschwinden konnte, hatte sich der breite Hüne Dimitrios vor ihm aufgebaut. Damit begann der zweite Akt. In die Enge getrieben, noch wutentflammt und völlig überreizt, kreischte Gonzalez mit sich überschlagender Stimme: «Diesen Drecksack lässt du hier nicht mehr rein!» . (Er meinte mich.) «Du lässt ihn nicht mehr hier rein, oder Marina arbeitet hier nicht mehr. Sie

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