Die Bruderschaft der Woelfe
bis über sein Kinn herabhängenden Schnauzer.
Gaborn erhob sich, um unter vier Augen mit ihm zu reden.
Der Bote verbeugte sich jedoch mit großer Geste und sagte:
»Wenn Euer Hoheit, die Lords aus Heredon und Orwynne
erlauben – der gute König Lowicker bat mich, offen zu Euch allen zu sprechen.«
Gaborn nickte: »Dann fahrt bitte fort.«
Der Bote verbeugte sich. »Mein Lord Beldinook trug mir auf, folgendes kundzutun: ›Lang lebe Erdkönig Gaborn Val Orden!‹«
Er hob die Hand, und rings um die Tafel erwiderten die Lords: »Lang lebe der König!«
»Mein König ersucht um Entschuldigung dafür, daß sich diese Botschaft verzögert hat. Vor fast einer Woche schickte er Euch Dokumente, in denen er auf jede erdenkliche Art seine Unterstützung anbot. Leider ist es unserem Kurier allem Anschein nach nicht gelungen, die Nachricht meines Lords lebend zu überbringen. Auf den Straßen wimmelt es von Raj Ahtens Meuchelmördern. Für dieses Versäumnis bittet mein Lord um Entschuldigung.
Er wollte jedoch zum Ausdruck bringen, daß er, ebenso wie er Euren Vater liebte, Euch, Gaborn, stets wie einen eigenen Sohn betrachtete.«
Für Iome hatten diese Worte einen unangenehmen Beiklang.
Lowicker hatte, wie sie wußte, oft um König Ordens Gunst gebuhlt, möglicherweise in der Hoffnung, Gaborn wäre Manns genug, Lowicker von einer bekanntermaßen wenig
anziehenden Tochter zu befreien, seiner einzigen Erbin.
»Mein Lord König Lowicker bittet Euch des weiteren, Ihr möget Euch keine Sorgen machen«, fuhr der Bote fort. »Der Gefahr, die sich bei Carris zusammenbraut, ist er sich bewußt, und er hat Truppen zusammengezogen. In der Hoffnung, daß wir gemeinsam in der Lage sein werden, Raj Ahten jetzt, bevor die Bedrohung noch größer wird, vernichtend zu besiegen, hatte er ein Heer aus fünftausend Rittern, einhunderttausend Fußsoldaten sowie unzähligen Ingenieuren und Hilfskräften aufgestellt!
Euer Hoheit, Lords aus Heredon und Orwynne, mein König Lowicker bittet Euch, seid guter Dinge und beeilt Euch, zu ihm zu stoßen, denn er wird seine Truppen persönlich in den Krieg führen!«
Plötzlich bekam Iome eine Vorstellung davon, worauf König Lowicker eigentlich aus war. Gewiß würden Truppen aus dem Süden und Osten Mystarrias nach Carris reiten, um es gegen Raj Ahten zu verteidigen. Mit Fleeds als Flankenschutz im Westen und Lowickers mächtigem Vorstoß von Norden her würde Raj Ahten sich wie ein von Hunden eingekreister Bär von allen Seiten umzingelt sehen. Ohne Zweifel hoffte man in Beldinook, den Wolflord auf diese Weise besiegen zu können.
Iome mußte schmunzeln. Nicht einmal in ihren wildesten Träumen hätte sie für möglich gehalten, daß der gebrechliche König Lowicker in den Krieg ziehen würde.
Die Lords an der Tafel jubelten und hoben ihre Krüge zum Trinkspruch, und Iome spürte, wie eine ungeahnte Woge der Erleichterung durch ihren Körper ging.
Die Lords tranken auf Beldinooks Gesundheit, und ein jeder schüttete einen Schluck Bier als Opfergabe an den Erdgeist auf den Fußboden.
Die Königin beobachtete Gaborns Reaktion. Die Sorgenfalten in seinem Gesicht glätteten sich ein wenig, und freundlich bedankte er sich bei dem Boten, dem er Speis und Trank von seiner eigenen Tafel anbot.
Sieh an, dachte sie. Wir verlieren ein paar Ritter aus Orwynne, und im nächsten Augenblick gewinnen wir hundertmal so viele hinzu! Angesichts dieser Hoffnung wurde ihr ganz leicht ums Herz.
Dennoch wandte sie den Blick nicht von ihrem Gemahl ab und suchte in seinem Gesicht nach einer deutlicheren Reaktion. Schließlich spürte er die Gefahr, in der sie alle schwebten, und sie wagte nicht zu jubeln, bis sich seine Anspannung gelöst hatte.
Er hatte nur zwei Gaben der Anmut besessen, damit eher ausgesehen wie ein schlichter und bescheidener Lord denn wie ein König. Jetzt, dieser Anmut beraubt, sah sie ihn zum ersten Mal wirklich. Man mochte ihn vielleicht nicht gerade häßlich nennen, viel fehlte daran jedoch nicht.
Sein Gesicht wirkte aufgedunsen wie das eines Ritters, der im Kampf zu viele Hiebe eingesteckt hatte, Hiebe, die nicht richtig verheilt waren. Und obwohl sie immer gewußt hatte, daß seine Augen recht weit auseinanderstanden, entdeckte sie in ihnen nun einen stechenden Blick, der ihr zuvor nie aufgefallen war.
Er ist nicht häßlich, redete sie sich ein. Trotzdem enttäuschte sie sein Aussehen. Sie lächelte und versuchte, sich darüber hinwegzusetzen.
Schließlich, überlegte sie, ist
Weitere Kostenlose Bücher