Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft der Woelfe

Die Bruderschaft der Woelfe

Titel: Die Bruderschaft der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
Vom Netzwerk:
hinkniete, redete sie sich ein, sie solle sich wegen der verlorenen Gaben nicht sorgen. Sie solle sich vielmehr glücklich schätzen, da sie wenigstens nicht – wie ihre Übereigner – hatte sterben müssen.
    Die Gartenerde war locker. Die Leute, die die Beete angelegt hatten, hatten allerdings das Gemüse bereits geerntet und mitgenommen, wenn auch in großer Eile.
    Vorhin hatte Averan ein paar kleine Karotten und
    Pastinaken in der Erde stecken gesehen. An dem Rebstock, der den Steinzaun hinaufrankte, hingen noch ein paar Weintrauben. Sie war sicher, solange sie im Dorf blieben, könnte sie sich genug Lebensmittel zusammenstehlen, um ein, zwei Tage durchzuhalten. Auf der Erde unter den Bäumen hoffte sie einige Äpfel, Birnen und Pflaumen zu finden.
    So suchte sie im Schein der Sterne nach Spuren von
    Möhrenblättern. Sie kroch über die Erde und tastete eher nach den Pflanzen, da sie wußte, wie sich die federigen Blätter anfühlten. Sie streifte die Blätter einer Möhre und ahnte, ohne ihren unteren Stengel anzufassen, daß sie zu klein zum Essen war. Sie war bestimmt verkümmert, dürr und bitter.
    Kurz darauf jedoch verspürte sie den Drang, an einer
    anderen Stelle in das Erdreich zu greifen, wo keine Blätter aus dem Boden ragten. Dort fand sie, im Boden verborgen, eine schöne, große Möhre. Jemand hatte versucht, sie aus der Erde zu ziehen, hatte aber nur die obersten Blätter abgerissen. Nach kurzem Ruckein zog sie die Mohrrübe heraus, die so lang war wie ihr Unterarm.
    Sie hielt sie in der Hand und wunderte sich, woher sie gewußt hatte, daß sie sich dort befand.
    Die grüne Frau dagegen starrte zusammengekauert und
    verängstigt hinauf zum Himmel. Jedesmal, wenn der Wind sie erfaßte, fuhr sie erschrocken zusammen und drehte sich um, als befürchtete sie, eine unsichtbare Hand habe sie berührt.
    Averan zeigte der grünen Frau ihre Ausbeute. »Möhre«, erklärte sie. »Möhre. Schmeckt ganz gut, wie Blut, läuft aber nicht davon, wenn man sie zu fangen versucht.«
    Sie hielt sie der grünen Frau hin, damit diese sie im schwachen Schein der Sterne betrachten konnte, biß dann ein großes Stück ab. Die Möhre war noch voller Erde, aber soweit es Averan betraf, schmeckte diese ebenso süß wie die Möhre selbst. Sie bot der grünen Frau ein Stück an.
    Die biß das Ende ab, ging in die Hocke und kaute
    nachdenklich wie ein Welpe, der soeben Bekanntschaft mit seinem ersten Stiefel macht.
    Averan schluckte rasch und wollte mehr. Sie schloß die Augen, kroch tiefer in den Garten hinein und versuchte, eine weitere Möhre aufzuspüren.
    Im Nu hatte sie eine entdeckt, deren Blätter ebenfalls abgerissen waren und die genauso groß war wie die erste. Sie zog sie heraus. Die grüne Frau näherte sich langsam dem Mädchen und betrachtete die neue Möhre. In fast völliger Dunkelheit zog sie eine weitere aus dem Boden, die Averan entgangen war.
    Natürlich kann sie die Möhren ebenfalls finden, erkannte Averan. Wir sind jetzt Geschöpfe der Erde, und die Erde weiß, wo ihre Schätze verborgen liegen. »Sämtliche Früchte des Waldes und der Felder gehören uns.«
    Etwas Seltsames ging da vor sich. Zwar hatte sie ihre Gaben verloren, dafür aber etwas anderes hinzugewonnen.
    Ich bin keine Gewöhnliche, entschied sie. Nicht, wenn grünes Blut in meinen Adern fließt.
    Averan legte ein paar Pastinaken zu ihrem Vorrat, dann lief sie unter die Bäume neben dem Haus, wo sie schon bald einige Feigen ›gefunden‹ hatte, die in das hohe Gras gefallen waren, wo man sie nicht sehen konnte. Kurz darauf fügte sie noch ein paar Pilze und Haselnüsse ihrer Mahlzeit hinzu.
    Nachdem sie genug zu essen beisammen hatte, führte sie die grüne Frau in der Dunkelheit zu einem großen Gebäude in der Mitte des Ortes, einer Art Zunft-oder Lagerhaus.
    Möglicherweise fand hier im Winter auch der Markt statt, da das Gebäude vor Wind und Wetter schützte. Vielleicht war es auch nur ein Gesanghaus, auf das man ein hohes Dach gebaut hatte, damit die Stimmen der Sänger hallen konnten und den Raum füllten. Im Augenblick wurde das Gebäude nicht benutzt, und seine breiten Türen standen sperrangelweit offen.
    Lautlos stapfte die grüne Frau hinter Averan her, bis sie die offene Tür erreichten. Diese war so breit, daß zwei Heuwagen mühelos nebeneinander ins Gebäude hätten einfahren können.
    Averan spähte hinein. Sie konnte nichts erkennen.
    Unmittelbar darauf jedoch hörte sie die verzweifelten Schreie und Pfiffe von Ferrin.

Weitere Kostenlose Bücher